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Warum Fische im Dunkeln nicht abdriften

Warum Fische im Dunkeln nicht abdriften

Mithilfe ihres Seitenlinienorgans bleiben Fische auch im Dunklen auf Kurs

Seitenlinienorgan sorgt für entsprechende Orientierung

Man stelle sich vor, mit geschlossenen Augen in einem fahrenden Zug zu sitzen. Schon nach kurzer Zeit verliert man das Gefühl dafür, in welche Richtung sich der Zug bewegt – und ob er überhaupt noch fährt.

Ähnlich müsste es Fischen ergehen, die in der Dunkelheit in einem gleichmäßig fließenden Gewässer schwimmen. Überraschenderweise ist das aber nicht der Fall. Fische können auch im Dunkeln ihre Position bei gleichbleibender Strömung zuverlässig halten. Wie ihnen dies gelingt, konnten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bislang nicht erklären. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat das Rätsel jetzt gelöst.

Die Forscherinnen und Forscher um Pablo Oteiza vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie bei München gingen am Beispiel von Zebrafischlarven der Frage nach, wie Fische auch nachts erkennen können, aus welcher Richtung eine Strömung kommt, und wie sie effektiv dagegen anschwimmen, um nicht weggespült zu werden. Ergebnis: Das Forscherteam identifizierte die Seitenlinienorgane als eines der wichtigsten Sinnesorgane bei diesem auch 'Rheotaxis' genannten Phänomen. Die Seitenlinienorgane bestehen aus einer dichten Ansammlung von Haaren, die örtliche Änderungen im Strömungsfluss erkennen können. Zebrafischlarven schwimmen in Perioden von 250 Millisekunden, zwischen denen sie jeweils für eine Sekunde ruhen. Die Forscherinnen und Forscher konnten zeigen, dass die Fische in den Ruhepausen eine Art Momentaufnahme des kleinen Rundflusses um ihren Körper aufnehmen, der durch die linearen Strömungsflussgradienten entsteht.

„Wenn wir das Seitenlinienorgan am Fischschwanz störten, konnten die Fische die Anwesenheit einer Strömung nicht mehr fühlen und zeigten keine Rheotaxis mehr – sie sind abgedriftet“, sagt Oteiza. Eine der Ko-Autoren, Iris Odstrcil von der Harvard University, erklärt: „Indem der Fisch diesen Flussgradienten vor und nach einer Schwimmperiode misst, kann er effektiv berechnen, wie sich der Gradient durch sein Schwimmen verändert hat, und dann sein Verhalten entsprechend anpassen.“

Darüber hinaus gelang es den Forscherinnen und Forschern, die genauen Algorithmen zu beschreiben, die die Sinnesinformationen der Seitenlinienorgane in die entsprechenden motorischen Befehle umwandelt. Computersimulationen bestätigten, dass der Algorithmus tatsächlich das Rheotaxis-Verhalten hervorrief, das die Wissenschaftler im Experiment beobachtet hatten. Sie wollen nun in einer weiteren Studie herausfinden, wie das Fischgehirn die Berechnungen durchführt.


18.07.2017

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