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Bis in die DNA – Fischfang hat genetische Konsequenzen

Bis in die DNA – Fischfang hat genetische Konsequenzen

Werden Fische größenselektiv, passen sie sich in kürzester Zeit an die Bedingungen an.

IGB-Studie beweist: Das Fangen großer Fische beeinflusst Evolution

Große Fische haben es schwer. Zwar trotzen die mächtigen Salz- und Süßwasserfische ihrer natürlichen Umwelt, dafür landen sie bevorzugt im Fangnetz oder am Haken. Meeresforscherinnen und Meeresforscher verweisen schon länger darauf, dass die Fischerei nicht nur die Populationen verringere – sie beeinflusse auch die genetische Evolution der Fische. Eine Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Turku beweist nun genau das. So verändert die stete Entnahme der größten Individuen aus einem Fischbestand tatsächlich die Aktivität zahlreicher Gene.

Das Experiment mit zwei Populationen des Zebrabärblings dauerte fast zehn Jahre. Die Fische lebten in getrennten Tanks und wurden über fünf Generationen unterschiedlich befischt. Aus der ersten Gruppe landeten nur die größten Exemplare in den Keschern der Forscherinnen und Forscher. Bei der zweiten Gruppe bestimmte der Zufall, welche Zebrabärblinge entnommen wurden. Danach konnten sich beide Populationen für eine Dauer von sechs Generationen vom Fischereidruck erholen. Die Studie, die jüngst in der Fachzeitschrift „Molecular Ecology“ publiziert worden ist, brachte den Beweis: Werden Fische größenselektiv wie die erste Gruppe befischt, dann passen sie sich in kürzester Zeit an die Bedingungen an. Nach nur fünf Generationen kam es zu Veränderungen in der Aktivität und Ausprägung von rund 4300 Genen.

„Fischerei beeinflusst die Evolution“, erklärt Projektleiter Professor Dr. Robert Arlinghaus (IGB) und verweist auch auf eine vorangegangene IGB-Studie an den gleichen Zebrafischlinien. Hier hätte sich bereits gezeigt, dass die an die Fischerei angepassten Fische mehr Energie in die Fortpflanzung investierten. Außerdem zeigten sie ein langsameres Wachstum im Erwachsenenalter und waren scheuer. „Die beiden Studien belegen zusammengenommen, dass die genetischen Veränderungen tatsächlich veränderte Merkmale wie eine reduzierte Größe im Erwachsenenalter hervorbringen. Da Gene involviert sind, lassen sich die Merkmalsänderungen, zum Beispiel im Wachstum oder in der Scheuheit, selbst nach Einstellen der Fischerei nicht einfach so umkehren“, führt Arlinghaus weiter aus.

Inwieweit sich die Ergebnisse der Laborstudie auf die realen Verhältnisse in den Gewässern und Meeren übertragen lassen, wird sich zeigen. Die evolutionäre Anpassung sei aber eindeutig bewiesen und käme den Fischen ja auch zugute. Kleinere und scheuere Fische lassen sich schwerer fangen. Das spüren dann auch Fischer und Angler, die immer weniger in den Netzen und am Haken haben. Hier sei ein Umdenken erforderlich. Nachhaltiger Fischfang bedeute auch, die großen Tiere stärker zu schützen. „Durch die Vorgabe von Mindest- und Maximalmaßen, die zusammengenommen das Entnahmefenster bilden, werden sowohl die kleinen, unreifen als auch die stattlichen, großen Laichtiere geschont. Das hilft, die Auswirkungen des Selektionsdrucks auf Wachstum, Geschlechtsreifung und Scheu zu mildern“, fasst Robert Arlinghaus die Erkenntnisse zusammen.


08.06.2017

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