Zum Wissenschaftsjahr 2018
Langsam aber gewaltig -

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das Meerwasser vor den Küsten steigt weltweit

Forscherteam berechnet Daten zum Meeresspiegel-Anstieg neu

Vor der Küste herrscht Wellengang. Das Wasser schimmert in der Sonne. Der Gedanke an die letzte Sturmflut verfliegt gleich wieder. Auch die Gefahr durch schmelzende Eisberge in der Arktis und Antarktis erscheint an Europas Küsten eher unwirklich. Trotzdem gelten vor allem Küstenregionen als bedroht. Forscherinnen und Forscher des Forschungsinstituts „Wasser und Umwelt“ (fwu) der Universität Siegen vermelden einen Anstieg des globalen Meeresspiegels. Dieser hätte sich in den letzten zwanzig Jahren deutlich beschleunigt.

Satelliten messen seit 1992 den globalen Meeresspiegel, indem sie permanent die gesamte Meeresoberfläche abtasten. Die Berechnungen früherer Jahre beruhen dagegen auf lokalen Tidepegeln, die ursprünglich für die Belange der Schifffahrt entlang der Küsten installiert wurden. Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Dr. Sönke Dangendorf vom fwu hat die vorliegenden Daten zum Meeresspiegel-Anstieg neu berechnet.

Die Ergebnisse zeigen, dass der weltweite mittlere Meeresspiegel zwischen 1902 und 1990 langsamer angestiegen ist als bisher angenommen. Gleichzeitig identifizieren die Forscherinnen und Forscher unverändert hohe Raten für die letzten rund 30 Jahre. „Die Kurve sieht tatsächlich anders aus, als auf der Basis vorheriger Studien berechnet“, berichtet Dangendorf. „Sie verläuft zunächst flacher – dafür geht sie seit den 1990er-Jahren deutlich steiler nach oben. Der Meeresspiegel steigt heute etwa dreimal so schnell, wie über das gesamte 20. Jahrhundert.“ Eine Erkenntnis, die den Ingenieur beunruhigt: „Der Einfluss des Menschen auf die globale Erwärmung zeigt sich vor allem in den letzten Jahrzehnten. Unsere Ergebnisse belegen, dass der Meeresspiegel sehr empfindlich darauf reagiert.“
Im 20. Jahrhundert sei er hauptsächlich durch das Abschmelzen von Gletschern und die thermale Ausdehnung des Wassers gestiegen, erklärt Dangendorf. „Im 21. Jahrhundert kommt das Abschmelzen der großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis hinzu. Wir beobachten, dass dieser Prozess zu einem immer dominanteren Faktor für den globalen Meeresspiegel-Anstieg wird.“ Die Studie, jüngst in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) veröffentlicht, betont das globale Risiko für tiefliegende Küstengebiete.

Besteht somit akute Gefahr für die deutschen Küsten? Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie warnt vor steigenden Pegeln. Allerdings geht es davon aus, dass die heutigen Sicherungsmaßnahmen zumindest bis zum Jahr 2050 einen ausreichenden Schutz vor Überflutung bieten werden. Die Verletzlichkeit der flachen Küstenregionen nehme jedoch mit steigendem Meeresspiegel zu. So drohten beispielsweise eine „dauerhafte Vernässung“ und eine „dauerhafte Überflutungsgefahr“. Das beträfe Küstengebiete, die unterhalb des Meeresspiegels liegen, da Flüsse und Regenwasser immer schlechter ins Meer abfließen könnten. Solche „Untergangsszenarien“ mögen zwar noch in ferner Zukunft liegen, für den Küstenschutz gibt es aber keinen Grund zur Entwarnung.

 

01.06.17

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