Zum Wissenschaftsjahr 2018
Dank Bakterien: Tiefseemuscheln und -schwämme gedeihen auf Öl

Dank Bakterien: Tiefseemuscheln und -schwämme gedeihen auf Öl

Tiefsee Ölabbau durch Symbiose

Studie erforscht die Rolle ölfressender Bakterien im marinen Ölabbau

Asphaltvulkane der Tiefsee zählen zu den außergewöhnlichen Ökosystemen der Erde. In dem bizarren Lebensraum herrschen Kälte und Finsternis. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bremen und den USA entdeckten vor fast 15 Jahren im Golf von Mexico solche Vulkane, die Asphalt statt Lava spucken. Auf ihren Flanken tummeln sich Muscheln und Schwämme. In Symbiose mit Bakterien ziehen die Mikroorganismen Öl aus dem Asphalt und nähren so sich selbst und ihren Wirt. Das Forscherteam fand zudem heraus, dass nah verwandte Bakterien im Golf bereits als Helfer in der Not agierten. Nach der Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 halfen diese Bakterien beim Abbau der Ölpest.

Die Forscherinnen und Forscher erkunden die lebensfeindliche Tiefsee im Golf mithilfe von ferngesteuerten Tauchrobotern. Um die Campeche-Knolls-Asphaltvulkane herum stießen sie auf diese ungewöhnliche Lebensgemeinschaft in bis zu 3000 Metern Tiefe. „Den Asphalt und das Öl, die aus dem Boden treten, können sie nicht fressen, und andere Nahrungsquellen sind in der Tiefsee rar“, erklärt Maxim Rubin-Blum vom Bremer Max-Planck-Institut (MPI) für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie. „Darum haben sich einige von ihnen mit Bakterien zusammengetan, die ihnen aus der Patsche helfen: Diese können aus dem Öl sowohl Energie als auch lebenswichtigen Kohlenstoff gewinnen.“ Meeresforscher haben solche Bakterien schon an anderen ölreichen Standorten gefunden, dann allerdings als freilebende Mikroorganismen.

Beide ölfressenden Bakterien gehören zur Gruppe Cycloclasticus. Die freilebenden Bakterien können schwer abbaubare Ringstrukturen im Öl, so genannte PAHs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), knacken und verwerten. Die symbiotischen Cycloclasticus machen sich die Sache leichter. Sie haben sich auf einfach abbaubare Bestandteile des Öls spezialisiert – sogenannte kurzkettige Alkane wie Butan, Ethan und Propan. „Die Ringe der PAHs können diese Mikroorganismen gar nicht mehr knacken“, erklärt Rubin-Blum. Solche Cycloclasticus-Bakterien, die rein auf kurzkettige Alkane setzen, kannte man bisher nicht. „Wir vermuten, dass sie sich diesen 'Luxus' nur leisten können, weil sie sich bei Muscheln und Schwämmen als Symbionten eingemietet haben“, erläutert Nicole Dubilier vom MPI für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie.

In der Studie, die jüngst in der Fachzeitschrift 'Nature Microbiology' erschien, fasst das Team die Ergebnisse zusammen. Tatsächlich ergab der Genom-Vergleich, dass auch die freilebende Art kurzkettige Alkane abbauen kann. Das erklärt deren zahlreiches Auftreten nach der Ölkatastrophe 2010. Sie kann aber auch weiterhin PAHs nutzen. „So bleiben sie flexibel. Sind die kurzkettigen Häppchen aufgebraucht, können sie immer noch die deutlich zäheren PAHs verwerten“, so Dubilier. Offensichtlich handele es sich bei Cycloclasticus um eine Schlüsselfigur im marinen Ölabbau. Im nächsten Schritt wolle man jetzt die Physiologie und den Stoffwechsel der symbiotischen und der freilebenden Arten genau vergleichen. Und so mehr über deren Beitrag zum Abbau von Kohlenwasserstoffen im Meer erfahren.

22.06.2017

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

Mehr zum Themenfeld: