Zum Wissenschaftsjahr 2018
Doppelinvasion im Mittelmeer – Fische als Trojanische Pferde

Doppelinvasion im Mittelmeer – Fische als Trojanische Pferde

Einzeller reisen im Darm von Fischen

Studie entdeckt neuen Transportweg invasiver Arten

Muscheln, Krebse, Fische und Algen reisen als blinde Passagiere im internationalen Schiffsverkehr. Das ist bekannt. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel entdeckte jetzt einen neuen Invasionsweg. Kleinstlebewesen gelangen offenbar im Darm von Fischen aus dem Indopazifik ins Mittelmeer. Bei einem Feldversuch vor der israelischen Küste stießen die Forscherinnen und Forscher auf eine Doppelinvasion zweier dort nicht-heimischer Arten. Kaninchenfische und bestimmte Foraminiferenarten aus dem pazifischen Ozean breiteten sich nachweislich parallel in dem für sie fremden Lebensraum aus.

Tourismus, Aquakultur und nicht zuletzt die Handelsschifffahrt gelten als Wegbereiter für invasive Arten von einem Lebensraum zum anderen. Im Mittelmeer herrschen jedoch Sonderbedingungen.
Seit Eröffnung des Suezkanals 1869 ziehen viele neue Arten aus dem Roten Meer und dem Indischen Ozean auf dem Wasserweg nach Norden. Ein Forscherteam aus Israel, Deutschland und den USA hat jetzt das Vorkommen sogenannter Foraminiferen im Mittelmeer untersucht. Diese können mikroskopisch klein oder einige Zentimeter groß sein und besiedeln unter anderem den Meeresboden. Pflanzenfressende Fische verschlucken sie zum Teil versehentlich während ihrer Nahrungsaufnahme. In Magen- und Kotproben von frisch gefangenen Kaninchenfischen aus dem Mittelmeer sowie aus präparierten Exemplaren in Museen konnte das Team die kleinen Einzeller nachweisen – teilweise sogar lebendig. „Die sogenannte Ichthyochory, der Transport lebender Organismen durch den Magen-Darm-Trakt von Fischen, ist aus Süßgewässern bekannt. Das Phänomen wurde aber noch nicht in Verbindung gebracht mit der zum Teil erstaunlich schnellen Verschleppung von Tieren und Pflanzen im Meer, vor allem nicht von am Meeresboden lebender Arten. Doch offenbar fungieren Fische im Mittelmeer tatsächlich als trojanische Pferde“, erläutert Tamar Guy-Haim (GEOMAR), die hauptverantwortliche Wissenschaftlerin der Studie, die jüngst in der Fachzeitschrift 'Limnology and Oceanography Letters' veröffentlicht worden ist.

Invasive Arten verdrängen häufig die angestammten Organismen. Problematisch wird es, wenn die Fremdlinge sich übermäßig vermehren, nicht schnell genug Fressfeinde finden und sich problemlos an veränderte Umweltbedingungen wie den Klimawandel anpassen.  Kommen all diese biologischen Faktoren bei einer einwandernden Art in einem bestimmten Ökosystem zusammen, können Pflanzen oder Tiere, die an ihrem ursprünglichen Standort völlig harmlos und ungefährlich sind, plötzlich die Artenvielfalt in der neuen Umgebung bedrohen. Umso wichtiger ist es für die Forschung, alle möglichen Transportwege von invasiven Arten zu identifizieren. Das hilft langfristig dabei, Vorhersagen über mögliche Ausbreitungsradien zu treffen und diese möglichst einzudämmen oder gänzlich zu unterbinden.

 

24.05.17

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