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Ostsee-Miesmuschel lässt Ozeanversauerung kalt

Ostsee-Miesmuschel lässt Ozeanversauerung kalt

Studie vergleicht Reaktion der Mytilus edulis auf CO2-Problem

Ostsee-Miesmuschel passt sich Ozeanversauerung an

Miesmuscheln aus der Kieler Förde reagieren weniger empfindlich auf erhöhte Kohlendioxid-Konzentrationen als ihre Artgenossen aus der Nordsee. Ein Forscherteam des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Alfred-Wegener-Instituts, der Universität Bremen und des Senckenberg am Meer führt das auf die genetische Anpassung an die extremen Lebensbedingungen in der Förde zurück. Offenbar hat der niedrigere Salzgehalt der Ostsee den Karbonat-Haushalt seit jeher auf ähnliche Weise beeinflusst, wie es heute die Versauerung der Ozeane bewirkt.

Die Ostsee dient als Freiland-Labor, um die Folgen der Ozeanversauerung zu untersuchen. Für die Miesmuschel-Art Mytilus edulis erwies sich die Kieler Förde sogar als Trainingsbecken. In einem Vergleichsversuch vor der Insel Sylt bildeten Mytilus-Larven aus der Förde ihre Kalkschalen im saureren Wasser schneller als ihre Artgenossen vor Ort. Gleichzeitig überlebten auch deutlich mehr Förde-Muscheln.

Ein ergänzendes, drei Jahre dauerndes Mehr-Generationen-Experiment mit Muscheln aus der Kieler Förde legt nahe, dass die erfolgreiche Anpassung durch Evolution über mehrere Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte oder Jahrtausende verlief. Die Ergebnisse der beiden Experimente sind im Fachmagazin Science Advances nachzulesen. „Die deutlichen Unterschiede zwischen den Kieler und den Sylter Miesmuschel-Larven legen nahe, dass die langfristige, genetische Anpassung eine entscheidende Rolle für ihr Überleben und ihre Fähigkeit zum Aufbau der Schalen gespielt hat“, betont Dr. Jörn Thomsen (GEOMAR), Erst-Autor der Publikation. „Aus früheren Analysen wissen wir, dass sich die beiden Populationen auch genetisch unterscheiden.“

Arten wie die Miesmuschel besitzen also unter bestimmten Bedingungen die Fähigkeit, sich an derartige Veränderungen anzupassen. Offen bleibt jedoch, über welchen Zeitraum diese genetische Anpassung erfolgt ist. Sie könne in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Klimawandel, Überdüngung und anderen Faktoren stattgefunden haben. Die genetischen Unterschiede, von denen die Förde-Muscheln im Experiment profitierten, könnten sich aber auch vor tausenden Jahren herausgebildet haben.

Geben Mehrgenerationen-Experimente Aufschluss darüber, wie schnell die genetische Anpassung abläuft und ob sie mit dem Klimawandel Schritt halten kann? „Angesichts unserer Einblicke glauben wir, dass die Forschung sehr vorsichtig mit Hypothesen über die Anpassungsfähigkeit von Organismen sein sollte, die auf kurzen Experimenten mit nur wenigen Generationen beruhen“, resümiert Dr. Frank Melzner, Co-Autor der Studie. Die Ostsee mit ihren verschiedenen Becken biete Einblick in marine Lebensbedingungen, die in anderen Regionen erst in vielen Jahrzehnten eintreten werden. „So können wir aus Beobachtungen vor der eigenen Haustür vieles lernen – aber um sie auf die Zukunft übertragen zu können, sind viele weitere Analysen nötig“, fasst der Ökophysiologe zusammen.

 

11.05.2017

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