Zum Wissenschaftsjahr 2018
Die Tiefsee als Schatzkammer der Menschheit

Die Tiefsee als Schatzkammer der Menschheit

Langfristige Folgen von Tiefseebergbau

Milliarden Tonnen wertvoller Bodenschätze auf dem Meeresgrund

Weiter als 200 Seemeilen vom Festland entfernt gehört das Meer der gesamten Menschheit und heißt im Seerecht schlicht „The Area“. Auf dem Meeresgrund liegen hier viele Milliarden Tonnen wertvoller Bodenschätze. Zahlreiche Staaten wollen diesen Reichtum heben. Meeresforscher untersuchen, ob die Lebewesen den Tiefseebergbau überleben würden.


Hören Sie hier den Podcastbeitrag zur Thematik von FONA – Forschung für Nachhaltige Entwicklung:

© Marie Heidenreich/Forschung für Nachhaltige Entwicklung


Es ist Zukunftsmusik, die nun schon fast ein halbes Jahrhundert lang spielt: Der Abbau von mineralischen Rohstoffen in der Tiefsee. Unser moderner Lebenswandel treibt die Nachfrage nach Rohstoffen weiter in die Höhe, an Land sind viele Vorkommen nahezu erschöpft. Bis heute wird kein Tiefseebergbau betrieben, aber viele prognostizieren ihn für die nahe oder fernere Zukunft.

Und auch Deutschland hat sich Lizenzen für die Tiefsee gesichert: Im Pazifik befinden sich zwei 75.000 Quadratkilometer große deutsche Lizenzgebiete. Diese liegen nicht weit vom Äquator in der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Hawaii und Mexiko. Der Meeresboden in fünftausend Metern Tiefe ist hier übersät mit Millionen Tonnen von Manganknollen – größere Exemplare sehen wie ein pechschwarzer Blumenkohl aus, kleinere Knollen erinnern an ungewaschene Kartoffeln.

Neben Mangan enthalten die Knollen wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Nickel und Kobalt, die in der Stahlverarbeitung und Elektroindustrie verwendet werden, und Seltene Erden. „Seltene Erden sind wirtschaftlich von Interesse, weil sie für Windräder und Handys gebraucht werden“, erklärt Professor Andrea Koschinsky von der Jacobs University Bremen. „Manganknollen entstehen sehr langsam. Material, das auf den Meeresboden herabsinkt, lagert sich im Laufe von vielen Millionen Jahren um einen harten Kern ab. Wir haben schon alle möglichen Kerne gefunden: Fischzähne zum Beispiel und Bruchstücke von Gestein“, so die Geochemikerin weiter.

Bevor dieses tiefste Bergbauareal der Welt entsteht, möchte das Bundesministerium für Bildung und Forschung wissen, wie sehr der Tiefseebergbau den Lebewesen in der Tiefsee schadet. Deshalb hat das Bundesforschungsministerium im Rahmen der internationalen Forschungsinitiative JPI Oceans eine Pilotmaßnahme initiiert, die herausfinden soll, welche langfristigen Folgen der Tiefseebergbau haben würde. Denn rohstoffhaltige Gebiete sind Lebensraum für viele Arten, die sich genau auf diese Umgebung spezialisiert haben: „Die Manganknollenfelder sind sehr wichtige Ökosysteme, weil sie sich in großen Tiefen von über 4000 Metern befinden. Hier ist der Meeresboden eigentlich sehr weich. Manganknollen bieten den Lebewesen eine harte Oberfläche, auf der sie wachsen können“, beschreibt Professor Ann Vanreusel die einzigartige Funktion, die die Manganknollen in der Natur haben. Viele Organismen leben in den oberen fünf bis zehn Zentimetern des Meeresbodens, die beim Tiefseebergbau abgetragen werden. Der Lebensraum der meisten Tiere und Bakterien wird also zwangsläufig zerstört, erklärt die Biologie-Professorin von der Universität Gent in Belgien: „Umweltfreundlich kann der Tiefseebergbau gar nicht sein. Das liegt in der Natur des Bergbaus. Aber wenn wir genug über 'The Area' und die ökologischen Zusammenhänge wissen, können wir vielleicht eine Strategie entwickeln, wie die Area nicht zu sehr geschädigt wird.“

Die Rohstoffe kommen im Meer nicht nur in Manganknollen vor, sondern auch in kobaltreichen Krusten und in Massivsulfiden. Die meisten Rohstoffe liegen außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete – mehr als 200 Seemeilen vom Festland entfernt. „Nach dem United Nations Law of the Sea, das 1992 verabschiedet wurde, bedeutet das, dass die Rohstoffe der gesamten Menschheit gehören“, erklärt Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seerechtler nennen das Gebiet, das zu keinem Land gehört und etwa die Hälfte des Planeten ausmacht, „The Area“. Alle Rohstoffvorkommen in der „Area“ gehören der gesamten Menschheit.

Wer Rohstoffe in der „Area“ abbauen möchte, muss den Tiefseebergbau bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) beantragen. Die ISA schreibt vor, dass jeder Staat, der Rohstoffe aus der Tiefsee gewinnen möchte, das Gebiet zuerst intensiv erkunden muss. Erst nachdem ein Staat 15 Jahre lang die Auswirkungen des Tiefseebergbaus untersucht hat, darf der industrielle Abbau von Ressourcen bei der ISA beantragt werden. Spätestens dann muss die ISA einen Mining Code entworfen haben, der den Tiefseebergbau international reglementiert. Und so langsam muss sich die ISA mit dem Mining Code beeilen: Deutschland erforscht sein Lizenzgebiet im Pazifik bereits seit zehn Jahren, andere Länder haben ihre Lizenzgebiete schon vor 15 Jahren erworben. Auch erste Prototypen für Abbaumaschinen existieren bereits.

Um die ökologischen Folgen des Abbaus zu untersuchen, brach das Forschungsschiff SONNE und mit ihm 40 Wissenschaftler im August 2015 zu einer Fahrt ins Perubecken im Pazifik auf. Die Wissenschaftler kehrten an einen Ort zurück, an dem 26 Jahre zuvor ein kleines Manganknollenfeld umgepflügt worden war. Mithilfe von unbemannten Unterwasserfahrzeugen erkundeten die Forscher die Tiefsee. In 4150 Metern Tiefe entdeckten sie Erstaunliches: Auch 26 Jahre nach dem Eingriff sind die Spuren am Meeresboden noch deutlich zu erkennen. Auch die biologische Vielfalt hat sich in den gestörten Gebieten verändert.

Mit ihren Forschungsergebnissen im Gepäck sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Sommer 2016 zur internationalen Meeresbodenbehörde nach Jamaica gereist. „Das Gespräch mit der ISA ist uns sehr wichtig, damit sie von unseren Ergebnissen direkt erfährt und dann hoffen wir, dass das am Ende Eingang in die Regularien findet“, sagt Dr. Matthias Haeckel. Auf Jamaica haben die Forscher der ISA empfohlen, Schutzzonen einzurichten, in denen die gleichen Umweltbedingungen herrschen wie in den Abbaugebieten.

Im Sinne der Umwelt wäre es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch lieber, wenn es dazu nie käme und der Bergbau in der Tiefsee für alle Zeit Zukunftsmusik bliebe.

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