Zum Wissenschaftsjahr 2018
#fischdetektive sammeln genetische Flossenabdrücke

#fischdetektive sammeln genetische Flossenabdrücke

Das Citizen-Science-Projekt ist die bislang umfangreichste deutsche Studie zur Fisch-Etikettierung

Umfangreiche Ergebnisse der #fischdetektive im Wissenschaftsjahr 2016*17 – Meere und Ozeane

Kann sich der Verbraucher sicher sein, dass Fisch und Meeresprodukte auch korrekt bezeichnet werden? Wo und wie wurden sie gefangen? Bei dem Citizen-Science-Projekt #fischdetektive im Wissenschaftsjahr 2016*17 – Meere und Ozeane haben Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahren den Fisch im deutschen Handel unter die Lupe genommen.

Während der dreiwöchigen #fischdetektive challenge haben sie im Juni 2017 insgesamt 647 Fischgewebeproben gewonnen und ans GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel geschickt. Mit den umfangreichen Ergebnissen existiert nun erstmalig eine solide Datenbasis zum Thema Fehletikettierung in Deutschland. Die vorliegende Studie ist mit exakt 468 Proben die bisher umfangreichste zur Etikettierung deutscher Fischprodukte. „Aus den Proben konnten wir in fast drei Viertel der Fälle einen genetischen Barcode, also eine Art genetischen ‚Flossenabdruck‘ gewinnen und so die Identität der Fische überprüfen“, freut sich Projektkoordinatorin Dr. Anna Bockelmann. Sie hofft zudem, bei den Kindern und Jugendlichen mit diesem Projekt Interesse für das Meer und eine nachhaltige Fischerei geweckt zu haben. „Wir möchten ihnen aufzeigen, dass sie als mündige Verbraucher selbst Einfluss nehmen können.“

Das Projekt zeigt außerdem eindrucksvoll die Vorteile eines Bürgerforschungsprojektes. „Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der #fischdetektive challenge erhielten wir Proben aus ganz Deutschland, sodass uns sehr repräsentative Ergebnisse vorliegen“, so Bockelmann. Die einzige andere umfassende Studie, die bereits als Referenz existiere, hatte nur etwa ein Viertel so viele Proben als Datengrundlage und wurde ausschließlich im norddeutschen Fischhandel durchgeführt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am GEOMAR konnten darüber hinaus zeigen, dass Kinder und Jugendliche der präzisen und akkuraten Arbeitsweise eines wissenschaftlichen Projekts gewachsen sind.

Die gute Nachricht ist: Beim größten Teil der analysierten Fischproben stimmte der genetische Barcode mit der angegebenen Fischart überein. Nur bei fünf Prozent der Fische (27 Proben) war dies nicht der Fall. Unter diesen waren neun Fische, bei denen man eine absichtsvolle Fehletikettierung annehmen kann. Hier war zum einen in sechs Fällen anstelle einer teureren Fischart eine preiswertere verkauft worden (ein sogenanntes „upgrading“). Bei drei weiteren Proben wurden atlantische durch pazifische Arten ersetzt. Die am häufigsten untersuchten Fische waren Alaska Seelachs, gefolgt von Seelachs und Kabeljau bzw. Dorsch. Neben diesen bei Deutschen sehr beliebten Fischarten wurden Proben von 37 weiteren Arten eingesandt, darunter auch Exoten wie Blauleng, indische Makrele und der St. Petersfisch. Die meisten beprobten Fische waren mit Schleppnetzen im Nordostatlantik gefangen worden und wurden von den Fischdetektiven als tiefgefrorenes Filet im Supermarkt gekauft.

Untersuchungen in anderen europäischen Ländern hatten zuvor mit deutlich mehr Fehletikettierungen für erhebliches Aufsehen gesorgt. Diese Studien beschränkten sich allerdings auf solche Fischprodukte, wo eine Fehletikettierung einfacher ist, beispielweise Sushi, Plattfischfilets oder verarbeitete Fischprodukte wie Dosenfisch. Die Fischdetektive dagegen untersuchten ausschließlich unverarbeiteten Fisch. „Um Studien miteinander vergleichen zu können, muss sehr genau auf die Untersuchungsbasis geschaut werden, sonst vergleichen wir Äpfel mit Birnen“ so der Leiter der Studie Prof. Thorsten Reusch. Eine Schlussfolgerung, dass die Etikettierung in anderen europäischen Ländern unehrlicher ist, ist also zurzeit nicht möglich. Das Projekt #fischdetektive könnte aber in Zukunft auch auf solche Produkte ausgeweitet werden. Außerdem wünscht sich Reusch eine Verfeinerung der genetischen Methodik, um nicht nur die Fischart, sondern auch die genaue Herkunft der Speisefische bestimmen zu können. „Denn nur so lässt sich abschließend beurteilen, ob der Fisch auf unserem Tisch aus einem nicht bedrohten Bestand stammt.“

27.11.17

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