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Klimawandel in Permafrostgebieten – ein Lebensraum schmilzt

Klimawandel in Permafrostgebieten – ein Lebensraum schmilzt

EU-Forschungsprojekt „Nunataryuk" untersucht Folgen des Klimawandels

Wie beeinflusst der Klimawandel den Lebensraum an den Küsten der Arktis?

Permafrostböden prägen ein Viertel der Landmasse auf der Nordhalbkugel. Wie in einer gigantischen Tiefkühltruhe lagern im Permafrost riesige Mengen uralter Pflanzenreste. Durch den Klimawandel tauen die arktischen Küsten verstärkt ab. Dadurch werden Bakterien aktiv. Es entstehen Methan und Kohlendioxid, die den schon bestehenden Treibhauseffekt verstärken. Ein EU-Projekt mit 28 Partnern aus 12 Ländern, das vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) koordiniert wird, untersucht jetzt die Folgen für das weltweite Klima und die Bewohner der Arktis. Zudem wollen die Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit den Menschen vor Ort Zukunftsstrategien entwickeln.

Bislang bildet die Forschung die Wirkungskette der Tauprozesse in mathematischen Modellen nur sehr schematisch ab. „An der Küste zum Beispiel bricht Permafrost verstärkt durch Wellenschlag ab – in der gesamten Arktis zieht sich die Küstenlinie mittlerweile pro Jahr um durchschnittlich mehr als einen halben Meter zurück. Das berücksichtigen die Modelle nicht“, erklärt Professor Hugues Lantuit vom AWI. Aufgetauter Boden werde aber auch über Flüsse in den arktischen Ozean gespült. Das bleibe genauso unberücksichtigt wie permanent überflutete Permafrostflächen. Diese Regionen könnten mit dem Klimawandel auftauen.

Etwa ein Drittel aller Küsten liegt weltweit in der Permafrostregion, die sich von Alaska über Skandinavien bis nach Sibirien erstreckt. Schon heute zeigt sich der Lebensraum bedroht. Weicht der Boden auf, verlieren Häuser ihren Halt. Trinkwasserleitungen können brechen. Mancherorts schlagen Gas- oder Ölleitungen leck. Böden werden verschmutzt. Durch die Einschwemmungen von Böden könnte sich auch die Meeresumwelt verändern. Im positiven Falle könnte sich das Nahrungsangebot für Meerestiere und vor allem Fische verbessern. Aber was passiert, wenn das Material das Meer trübt oder Krankheitserreger ins Küstenmeer gelangen, die über Jahrtausende eingefroren waren?

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In den nächsten fünf Jahren stehen im Projekt umfangreiche Kartierungsarbeiten und Messreihen an. Wiederholt werden dabei unter anderem Küstenlinien der Permafrostgebiete überflogen. Die derzeitige Lage ist für die Küstenbewohnerinnen und Küstenbewohner unüberschaubar. „Gemeinsam mit ihnen werden wir deshalb in den kommenden fünf Jahren Lösungsstrategien erarbeiten“, versichert Projekt-Koordinator Lantuit. Mit Hilfe der Kartierungen sollen Bereiche gefunden werden, die weniger stark tauen oder festen Untergrund für neue Häuser bieten. „Uns freut besonders, dass vor allem auch die indigene Bevölkerung mit dabei ist, die seit Jahrtausenden in diesen Gebieten lebt“, sagt Lantuit. Als Symbol für diese ungewöhnliche Kooperation zwischen einem internationalen Forscherteam und Ureinwohnern wird das EU-Projekt „Nunataryuk” genannt. In der Sprache der Inuvialuit, die im Westen der kanadischen Arktis leben, bedeutet das „vom Land zur See“; auf Deutsch - etwas frei übersetzt - „Küste“.

30.11.2017

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