Zum Wissenschaftsjahr 2018

Das Blaue Telefon: Ihre Fragen zum Thema Meere und Ozeane

Es ist, bildlich gesprochen, so blau wie der Ozean weit draußen auf hoher See: das Blaue Telefon. In der gleichnamigen Rubrik beantwortet die Zeitschrift mare, Medienpartner des Wissenschaftsjahres 2016*17, in Zusammenarbeit mit MARUM, dem Bremer Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, in jeder Ausgabe Fragen ihrer Leser. 

Wenn auch Sie eine Frage ans Blaue Telefon haben, schreiben Sie eine E-Mail an wat(at)mare.de.


Greift entwichenes Rohöl aus Tankern die GFK-Rümpfe von Yachten an?

Der im Yachtbau verwandte Faserverbundwerkstoff GFK gilt als sehr widerstandsfähig. Ganz ausschließen lässt sich eine Reaktion mit Rohöl jedoch nicht. „Dabei kommt es vor allem auf den Zeitraum an. Das Öl müsste schon Wochen oder Monate auf die Oberfläche einwirken“, hebt Chemie-Professor Wolfram Thiemann von der Universität Bremen hervor.

Ist der Rumpf bereits durch Osmose geschädigt, dringt Feuchtigkeit ein und Öl kann ins Innere des Kunststoffs gelangen. Verbleibt es dort längere Zeit, richtet es möglicherweise Schäden an. Professor Oudot vom Musée National d'Histoire Naturelle in Paris hält Rohöl für ähnlich aggressiv wie Diesel, mit dem Boote beim Tanken häufiger Kontakt haben.


Wie wirkt sich das isländische Kárahnjúkar-Wasserkraftprojekt auf die Meeresumwelt aus?

Seit dem Bau des umweltpolitisch höchst umstrittenen Wasserkraftwerks Kárahnjúkar vor zehn Jahren riegeln mehrere Dämme den Jökulsá á Dal ab. Bis dahin transportierte der Fluss geschätzte zehn Millionen Tonnen Sediment in Richtung Küste bzw. in die Heradsfloi-Bucht. Weil dieser Nachschub jetzt fehlt, wird sich die Strandlinie laut der von der Betreibergesellschaft in Auftrag gegebenen Umweltstudie in den kommenden 100 Jahren um etwa zwei- bis dreihundert Meter zurückziehen.

Auch die Sandbänke und kleinen Inseln im Mündungsgebiet des Jökulsa werden auf Grund von Nachschubmangel erodieren. Dass trifft vor allem die Seehunde, die hier ihre Jungen gebären. Ihr Bestand wird also schrumpfen. „Darüber, wie sich die Lebensbedingungen von Fischen, Krebsen und anderen Meerestieren verändern, kann man nur spekulieren“, sagt Professor Jon Olafsson von der Universität Island in Reijkjavik, denn dazu lägen bislang keine Studien vor. Die würden als Vergleichsstudien auch nur wenig hergeben, denn „es gab keine umfassende Untersuchung, die den ökologischen Zustand des küstennahen Meeres vor Beginn des Megaprojekts dokumentiert hätten“, klagt Umweltschützer Gudmundur Pall Olafsson.


Welchen Wirkungsgrad haben Generatoren, die Elektrizität mit Hilfe von Meeresströmungen erzeugen?

Im „mare“-Heft Nr. 25 wurde unter dem Titel „Meerestrom“ über das Projekt „Seaflow“ berichtet. Das Ziel: Energiegewinnung mit Hilfe eines Rotors, der von Gezeitenströmungen angetrieben wird. „Wie in der Aerodynamik bei Windrädern an Land, so ist auch bei einer Wasserströmung der Wirkungsgrad eines frei umströmten Rotors aus Gründen der Energie- und Impulserhaltung auf theoretische 59% beschränkt“, erklärt Projektleiter Dr. Jochen Bard.

„Berücksichtigt man die realen Verhältnisse am Rotor sowie Umwandlungs- und Reibungsverluste im Triebstrang, so ergibt sich ein realistischer Gesamtwirkungsgrad von etwa 40 Prozent.“ Das entspricht in etwa dem Wirkungsgrad von Windkraftanlagen. Allerdings sind die Leistungen der Unterwasserrotoren genauer vorhersagbar. Für Wirtschaftlichkeitsberechnungen und -vergleiche müssen ohnehin andere Größen zugrunde gelegt werden: Anzahl der jährlichen Volllastsunden oder die Leistung pro Quadratmeter Rotorfläche zum Beispiel.

Für Dr. Bard in diesem Zusammenhang besonders interessant: „Ein Unterwasserrotor von 20 Metern Durchmesser leistet bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 2,5 Metern pro Sekunde bereits ein Megawatt. Der Rotor einer Einmegawatt-Windkraftanlage hat demgegenüber einen Durchmesser von etwa 54 Metern.“


Kann man Gashydrate auch woanders als am Meeresboden finden?

Man kann, und man hat. Entdeckt wurden Gashydrate – eisähnliche Verbindungen aus Gas und Wasser – durch den britischen Naturforscher Sir Humphrey Davy bereits 1810. Sie galten allerdings nur als Kuriosität – bis in den 1930er Jahren immer wieder Gaspipelines verstopften. Bei niedrigen Temperaturen verklumpte das unter Druck stehende Gas in den Leitungen – es entstanden Gashydrate.

Russische Wissenschaftler stellten in den 1970er Jahren die These auf, dass auch am Meeresboden Gashydrate zu finden müssten – und das in riesigen Mengen. Glauben wollte ihnen zunächst niemand, doch in den 1980er Jahren bestätigten Probebohrungen im Kaspischen Meer, im Golf von Mexiko und vor Mittelamerika diese These. Seitdem gilt Methanhydrat als hoffnungsvoller Energieträger und als Gefahr für das Klima. Auch in den ständig gefrorenen Böden vor allem der hohen nördlichen Breiten lagert viel Methan. Bei den dort herrschenden kalten Temperaturen genügt ein recht geringer Druck, damit sich Gashydrate bilden. Auch am Boden des Baikal-Sees – mit über 1.600 Metern der tiefste See der Welt – gibt es Methanhydrate. Im Grunde bilden sich also überall dort Gashydrate, wo die richtige Kombination aus Druck, Temperatur auf Wasser und genügend Gas trifft.