Zum Wissenschaftsjahr 2018

Das Blaue Telefon: Ihre Fragen zum Thema Meere und Ozeane

Es ist, bildlich gesprochen, so blau wie der Ozean weit draußen auf hoher See: das Blaue Telefon. In der gleichnamigen Rubrik beantwortet die Zeitschrift mare, Medienpartner des Wissenschaftsjahres 2016*17, in Zusammenarbeit mit MARUM, dem Bremer Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, in jeder Ausgabe Fragen ihrer Leser. 

Wenn auch Sie eine Frage ans Blaue Telefon haben, schreiben Sie eine E-Mail an wat(at)mare.de.


Stimmt es, dass Küstenzonen besonders dicht besiedelt sind?

Die Küstenzonen zählen zu den besonders stark vom Menschen beanspruchten Räumen. Feriensiedlungen und andere Infrastrukturen für den Tourismus sowie Städte- und Hafenbau prägen zunehmend das Bild vieler Küstenstriche geprägt. Allerdings sind diese Gebiete durch den Klimawandel und dessen Folgen besonders stark bedroht: Der steigende Meeresspiegel, heftigere Stürme im Herbst und Winter sowie dadurch verursachte Sturmfluten stehen dafür beispielhaft.

Anfang 2007 erschien eine erste Studie, die sich gezielt mit der Küstenbevölkerung und deren Bedrohung durch den Klimawandel auseinandersetzte. Einem Forscherteam aus New York und London zufolge leben 643 Millionen Menschen, in Gebieten die sich weniger als zehn Meter über den Meeresspiegel erheben. In Ländern wie den Niederlanden oder Vietnam beträgt dieser Anteil sogar über 70 Prozent. Insgesamt macht dieser Küstenstreifen zwar nur etwa zwei Prozent der Landfläche aus, aber auf diesem kleinen Raum lebt etwa ein Zehntel der Weltbevölkerung. Und dieser Anteil wächst stark an: Schon heute liegen 15 der 20 größten Städte an den Küsten, und der weltweite Anteil der Stadtbevölkerung wächst überproportional.


Warum unterscheiden sich die Temperaturen in Bremen und Bremerhaven?

Obwohl die beiden Städte nur etwa 55 Kilometer auseinanderliegen, werden das ganze Jahr über typische Temperaturunterschiede beobachtet. „Die hängen mit der unterschiedlichen Entfernung zur Nordsee zusammen.“ erklärt Christiana Lefebvre, Diplom-Meteorologin an der Hamburger Dienststelle des Deutschen Wetterdienstes: „Tagsüber erwärmt sich die Luft in Bremen stärker als in Bremerhaven, und nachts kühlt es sich in Bremerhaven weniger stark ab. Beide Effekte sind auf den Einfluss des unmittelbar angrenzenden Meeres in Bremerhaven bedingt. Wasser erwärmt sich nur langsam und gibt die gespeicherte Wärme langsamer wieder ab als Luft.“

Bezogen auf die Jahre 1981 bis 2010 betrug die mittlere Tageshöchsttemperatur in Bremen tagsüber im Juli durchschnittlich 23° C, in Bremerhaven dagegen nur 21,6° C. Nachts kühlte die Stadt an der Nordsee im Mittel auf 14,7° C, das landeinwärts gelegene Bremen erwartungsgemäß stärker, nämlich auf 12,6° C ab. Im Januar betrugen die mittleren Tageshöchsttemperaturen in Bremen und Bremerhaven jeweils 4,2° C. Der nächtliche Wärmflaschen-Effekt des Meeres ist in Bremerhaven indes auch im Winter spürbar. Während das Quecksilber in Bremen im Januar auf durchschnittlich -1,0° C sank, betrug das Minimum in der Schwesterstadt „nur“ 0,0° C. – Sehr interessant fällt übrigens der 30-Jahre-Vergleich aus: Gegenüber den Durchschnittswerten der Jahre 1961 bis 1990 wurden in den letzten drei Jahrzehnten deutlich höhere Werte gemessen; sowohl tagsüber als auch nachts. Teilweise beträgt die Temperaturdifferenz mehr als ein Grad - wie etwa bei der in Bremen für den Monat Juli gemessenen mittleren Tageshöchsttemperatur. Dies sei, sagt Christiana Lefebvre, in erster Linie auf Variabilitäten im Auftreten von Wetterlagen zurückzuführen, aber auch auf den Klimawandel.


Ist Nebel auf See ein Zeichen für Landnähe? Oder gibt es nebelanfällige Ozeanregionen?

Nebeltröpfchen sind bis zu 20 Tausendstel Millimeter groß. Wenn sie sich ballen und die Sichtweite auf weniger als einen Kilometer schrumpft, herrscht laut meteorologischer Definition Nebel. Auf See kann dies durchaus ein Zeichen von Landnähe sein. So streicht im Herbst kühle kontinentale Luft seewärts über das noch 15 oder mehr Grad Celsius warme Ostseewasser. Die Folge: ausgedehnte Nebelfelder, so genannte Warmwassernebel. Umgekehrt werden Kaltwassernebel häufig im Frühjahr beobachtet, wie zum Beispiel in der Nordsee. Grund ist feuchtkalte Meeresluft, die auf feuchtwarme Festlandsluft trifft.

Freilich gibt es auch offene Ozeanregionen, in denen Nebel gehäuft auftritt. Dies ist im westlichen Nordatlantik und im Nordpazifik der Fall, vor allem im Juli. Berüchtigt ist der Neufundlandnebel, der sich im Grenzbereich zwischen kaltem Labradorstrom und warmem Golfstrom entwickelt. Aber auch im Indischen Ozean sind solche „Nebellöcher“ bekannt, in denen warme und kühle Meeresströmungen aufeinandertreffen.


Der Weltozean nimmt zunehmend Kohlendioxid auf. Welche Auswirkungen hat das auf unser Klima?

Lange Jahre fehlte den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Kohlendioxid, wenn sie die Bilanz von Ausstoß und Konzentrationsanstieg in der Atmosphäre verglichen. Dann stellte sich heraus: Die Ozeane nehmen einen Großteil des vom Menschen ausgestoßenen Kohlendioxids auf und dämpfen damit den Treibhauseffekt. Soweit die gute Nachricht. Leider ist das Kohlendioxid im Meer chemisch aktiv. Es verbindet sich mit dem Wasser zu Kohlensäure und übersäuert so die Ozeane.

Normalerweise liegt der Säurewert des Meerwassers, der so genannte pH-Wert bei 8,2. Doch der pH-Wert des Oberflächenwassers ist jetzt schon auf einen Mittelwert von 8,1 gesunken. Forscherinnen und Forscher weltweit fürchten, dass bei unverändertem Ausstoß von Kohlendioxid der pH-Wert bis 2100 insgesamt um 0,5 sinken könnte. Das wäre eine Änderung um den Faktor 3, da es sich um eine logarithmische Skala handelt. Ein pH-Wert von 7,7 wäre der niedrigste seit etwa 20 Millionen Jahren.

Doch das größte Problem ist die Geschwindigkeit, mit der dies geschieht: Sie liegt etwa 1.000 Mal höher als jemals zuvor. Das lässt den Organismen keine Zeit, sich auf die sich verändernden (oder: veränderten) Bedingungen einzustellen. Das ist die schlechte Nachricht. Denn der pH-Wert beeinflusst direkt die Fähigkeit von Meeresorganismen, ihr Kalkskelett aufzubauen. Und das betrifft Seeigel, Schnecken, Muscheln, Korallen, Krebse und vor allem auch Planktonorganismen. Winzige Algen und Tiere, die in der obersten Schicht des Wassers leben und eine ähnliche Stellung haben wie Pflanzen an Land. Sie bilden die untere Ebene des Nahrungsnetzes. Versuche, in denen solche Organismen den prognostizierten Kohlendioxidgehalten im Wasser ausgesetzt wurden, verliefen ernüchternd: Die Kalkalgen verkümmerten, Muschellarven verschwanden.