Zum Wissenschaftsjahr 2018

Das Blaue Telefon: Ihre Fragen zum Thema Meere und Ozeane

Es ist, bildlich gesprochen, so blau wie der Ozean weit draußen auf hoher See: das Blaue Telefon. In der gleichnamigen Rubrik beantwortet die Zeitschrift mare, Medienpartner des Wissenschaftsjahres 2016*17, in Zusammenarbeit mit MARUM, dem Bremer Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, in jeder Ausgabe Fragen ihrer Leser. 

Wenn auch Sie eine Frage ans Blaue Telefon haben, schreiben Sie eine E-Mail an wat(at)mare.de.


Wie stark kann die Ostsee in einem harten Winter zufrieren?

Erste Eisbeobachtung gab es an der Ostsee schon 1706 in Sankt Petersburg. Allerdings vergingen noch zwei Jahrhunderte, bis von umfassender Eisaufzeichnung am Mare Balticum die Rede sein konnte. Die Deutsche Seewarte sammelt seit 1896 kontinuierlich Daten über Beginn, Dauer und Ende der jährlichen Eisbedeckung.

Dabei werden zwischen extrem starken, starken, normalen und milden Eiswintern unterschieden. 38 Prozent der Winter der vergangenen 100 Jahre zählen zum milden Typus, in denen die Ostsee zu weniger als 35 Prozent mit Eis bedeckt war. Ein Fünftel ist den starken und extrem starken Eiswintern zuzurechnen. Dann war die Ostsee mindestens zu zwei Dritteln, in einigen Wintern, wie zuletzt 1986/87, zu fast 100 Prozent eisbedeckt. Das Eis wächst in den nördlichen- bzw. östlichen Regionen des Baltischen Meeres auf bis zu 120 Zentimeter Dicke an. In der südlichen Ostsee werden in extrem starken Wintern dagegen „nur“ bis zu 70 Zentimeter gemessen.

Wenn allerdings Eisbrecher oder Seeschiffe die Eisdecke aufbrechen, können Winde und Strömungen die entstandenen Schollen selbst in der Mecklenburger Bucht auf bis zu vier Meter Höhe türmen.


Wieso dehnt sich Wasser aus, wenn es gefriert?

Wenn Tauwetter einsetzt, enthüllen die abschmelzenden Schneemassen vielerorts Straßenschäden. Diese entstehen, wenn Wasser durch kleine Risse in den Straßenbelag eindringt und gefriert. Das Eis kann diese Sprengkraft entwickeln, weil es sich beim Gefriervorgang ausdehnt und dadurch mehr Raum einnimmt.

Normalerweise schrumpfen Stoffe, wenn sie abkühlen. Wenn sie erwärmt werden, dehnen sich aus. Die einzelnen Moleküle bewegen sich durch die zugeführte Wärme schneller und benötigen daher mehr Platz. Bei sinkenden Temperaturen ziehen sie sich wieder zusammen. Dies lässt sich gut am Beispiel eines Thermometers beobachten. Der Pegel der Thermometerflüssigkeit steigt je nach Temperaturentwicklung an oder fällt wieder ab. Gefärbtes Wasser wäre hierzu indes ungeeignet, da es sich bei sinkenden Temperaturen bis etwa 4° Celsius zusammenzieht, darunter aber – auch wenn es gefriert – wieder ausdehnt. Das Volumen nimmt beim Wechsel von Wasser zu Eis um etwa 9 Prozent zu, weil sich die Wassermoleküle bei 0° Celsius zu einer Kristallstruktur anordnen. Diese nimmt mehr Platz ein als die Anordnung der Teilchen im flüssigen Wasser. Man hat also dieselbe Anzahl von Teilchen in einem größeren Volumen, weshalb Eis leichter ist als Wasser und daher schwimmt.


Warum sind Sturmfluten im Winter häufiger als im Sommer und warum finden sie häufiger nachts statt?

Die Weihnachtstage 2016 verabschiedeten sich mit orkanartigen Winden, die weite Teile Norddeutschlands heimsuchten. Und ein Blick in die Unwetterstatistiken zeigt, dass die meisten schweren Stürme oder gar Orkane eher während des Winterhalbjahrs auftreten.

Sie blasen zumeist aus westlicher Richtung und verursachen an der Nordsee je nach Dauer und Zusammenspiel mit Ebbe und Flut unterschiedlich starke Sturmfluten. Das Sturmtief Ela, das im Juni 2014 mit heftigen Gewittern und Starkregengüssen über Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen hinwegzog, belegt, dass solche Ereignisse, zwar mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit, auch zu anderen Jahreszeiten auftreten können.

Sturmtiefs entstehen an der Polarfront, der Grenzregion zwischen warmen atlantischen und kalten subarktischen Luftmassen. Im Sommer verläuft die Polarfront etwa auf 60 Grad nördlicher Breite, also draußen auf dem Atlantik auf der Höhe von Bergen in Norwegen. Im Winter rückt sie hingegen fünf Grad weiter nach Süden vor und liegt dann auf der Höhe von Mittelengland bzw. Südjütland. Die Flugbahn der Sturmtiefs verläuft dann also genau über der zentralen Nordsee.

Die Sturmfluten treten tatsächlich häufiger nachts auf: Von Anfang November bis Ende Januar vergehen auf 53,5 Grad Nord zwischen Sonnenunter- und -aufgang zwischen 13,5 und 16,5 Stunden. Bis zu zwei Drittel des Tages ist es also dunkel. Daher entfallen auch 60 bis 70 Prozent aller Sturmfluten – die zwischen Tag und Nacht theoretisch gleich verteilt sind – auf die Nachtstunden.


Ab wann spricht man an der Ostsee von Sturmfluten, und wie oft traten diese in der jüngeren Vergangenheit auf?

Im Mare Balticum spricht das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) von Sturmflut, wenn der Pegel gegenüber dem mittleren Wasserstand um ein bis 1,5 Meter erhöht ist. Bei schweren Sturmfluten zeigen die Pegel 1,5 bis zwei Meter über normal an. Laufen die Wassermassen noch höher auf, haben es die Küstenbewohner mit einer sehr schweren Sturmflut zu tun. So am 13. November 1872, als die Pegel an Schleswig-Holsteins Ostseeküste bis zu 3,30 Meter über Normalnull anzeigten.

Interessanterweise legen die Behörden Mecklenburg-Vorpommerns in Hinblick auf Maßnahmen zum Katastrophenschutz andere Maßstäbe an. An den Außenküsten reicht ein Plus von 1,71 Metern, an Bodden- und Haff-Küsten bereits von 1,31 Metern, um von sehr schwerer Sturmflut zu sprechen. Im Zeitraum von etwa 100 Jahren sind zum Beispiel in Wismar 15 Fälle, in Warnemünde acht und in Greifswald sieben Fälle von Sturmfluten mit Scheitelwerten größer als 1,50 Meter über Normalmittelwasser aufgetreten, heißt es in einem Küstenschutzbericht des Landes. Im Mittel wurde also Wismar alle sieben Jahre, Warnemünde alle 12,5 Jahre und Greifswald alle 14 Jahre von einer schweren bis sehr schweren Sturmflut heimgesucht – so wie zuletzt Anfang 2017, als die Pegel einen bis zu 1,83 Meter höheren Wasserstand anzeigten als normal. Es war die heftigste Sturmflut seit mehr als zehn Jahren.