Zum Wissenschaftsjahr 2018
Schätze aus der Blauen Apotheke – Alternative zu Antibiotika

Schätze aus der Blauen Apotheke – Alternative zu Antibiotika

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Ruth Anne Schmitz-Streit und Dr. Nancy Weiland-Bräuer

Schätze aus der Blauen Apotheke – Alternative zu Antibiotika

Ein Expertenbeitrag von Dr. Nancy Weiland-Bräuer und Prof. Dr. Ruth Schmitz-Streit, Christian-Albrechts-Universität Kiel

Bakterien sind strukturiert, organisiert und „kommunikativ“. Dies ermöglicht es ihnen, in komplexen Zellverbänden – sogenannten Biofilmen – zu leben. Innerhalb dieser Verbände weisen Bakterien oft eine ausgeprägte Fähigkeit auf, problematische Substanzen wie etwa  Schadstoffe abzubauen. Zudem zeigen sie ein erhöhtes Resistenzverhalten zum Beispiel gegenüber Antibiotika.

Problematisch werden Biofilme, wenn sie sich auf medizinischen Geräten oder Implantaten entwickeln und Infektionskrankheiten auslösen. Derzeit sind bei Bakterieninfektionen Antibiotika die Therapie der Wahl, allerdings erweisen sie sich gegen Biofilmbakterien oft als wirkungslos. Wissenschaftler suchen daher vermehrt nach neuen „Waffen“, um gefährliche und hartnäckige mikrobielle Besiedlungen zu bekämpfen.

Damit Bakterien auf Oberflächen Zellansammlungen bilden, müssen sie über Botenstoffe miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation von Zelle zu Zelle, das sogenannte „Quorum sensing“ (QS), kann im Prinzip durch störend eingreifende Biomoleküle („Quorum quenching“-Moleküle, QQ) unterbunden werden. Folge: Die Bildung von Biofilmen wird unterdrückt.

Seit 2006 beschäftigt sich Dr. Nancy Weiland-Bräuer im Institut für Allgemeine Mikrobiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit der Vermeidung und Inhibierung bakterieller Biofilme mittels Eingriff in die bakterielle Zell-Zell-Kommunikation.

Seit 2004 ist die Mikrobiologin Prof. Dr. Ruth Anne Schmitz-Streit Direktorin am Institut für Allgemeine Mikrobiologie, CAU Kiel und leitet den Lehrstuhl Molekularbiologie der Mikroorganismen.

Beide forschen im Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“.

An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erforschen wir, wie bereits die Entstehung von schädlichen Biofilmen durch Eingriffe in die bakterielle Kommunikation verhindert werden kann. Bei der Suche nach Störmolekülen konzentrieren wir uns auf die reichhaltigen Schätze im Ozean, die sogenannte „Blaue Apotheke“. Denn die Aussichten, im Ozean, dem größten und vielfältigsten Lebensraum der Erde, Anti-Biofilmmoleküle zu finden, sind äußerst vielversprechend.

Tatsächlich bestätigen unsere Forschungsarbeiten, dass die Anzahl von auffindbaren QQ-Molekülen in den untersuchten Meeresproben enorm hoch ist – wesentlich höher als bei terrestrischen Proben. Es zeigt sich, dass der Ozean als das älteste Ökosystem mit einer einzigartigen Vielfalt an Organismen aufwartet; darunter viele noch unentdeckte Substanzen. Das Meer bietet ein großes Potenzial an biologischen Aktivitäten und damit auch an neuen QQ-Mechanismen. Diese haben sich im Lauf der Evolution über einen langen Zeitraum entwickelt und durchgesetzt. Das ist vermutlich der Grund, weshalb sie besonders wirkungsvoll sind.

Wir haben bereits einige kommunikationsstörende Proteine im Meer entdeckt. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass sie besonders wirksam sind und verhindern, dass sich Biofilme bilden. Daraus lässt sich eine Vision für die Zukunft ableiten: Störmoleküle aus dem Meer könnten die Kommunikation von pathogenen Bakterien bewusst unterbinden. Sie würden die Bakterien so daran hindern, als Biofilm zu wachsen, der Krankheiten auslöst.

10.10.2016

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