Zum Wissenschaftsjahr 2018
Antarktische Fische - kalt ist nicht immer kalt genug

Antarktische Fische - kalt ist nicht immer kalt genug

Ein Expertenbeitrag von Dr. Tina Sandersfeld

Antarktische Fische - kalt ist nicht immer kalt genug

Ein Expertenbeitrag von Dr. Tina Sandersfeld, Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg.

Die Antarktis scheint eine karge weiße Landschaft aus Eis und Eisbergen zu sein, extrem kalt und ein sehr einsamer Ort. Doch unter der Wasseroberfläche verbirgt sich eine einzigartige Vielfalt an Organismen.

Zum Beispiel bevölkern mehr als 320 bekannte – und wahrscheinlich noch weitere unbekannte – Fischarten den Südlichen Ozean. Sie haben viele verschiedene Strategien entwickelt um in dieser extremen Umwelt zu überleben und faszinieren damit Wissenschaftler weltweit.

Das auffälligste Merkmal ist das farblose Blut einiger Eisfischarten. Ihnen fehlt der sauerstoffbindende Blutfarbstoff Hämoglobin – dies ist einzigartig unter den Wirbeltieren. Doch unter anderem durch ein größeres Herz und Blutvolumen sowie die hohe Löslichkeit von Sauerstoff im kalten antarktischen Wasser können die Tiere das Fehlen des Blutfarbstoffes ausgleichen. Die tatsächlichen Kosten und Nutzen dieser Anpassung sind jedoch bis heute nicht komplett geklärt.

Eine weitere dieser bemerkenswerten Anpassungen ist die Produktion eines Gefrierschutzproteins im Blut einiger Fische, das vergleichbar mit einem Frostschutzmittel ist und die Bildung von Eiskristallen verhindert.

Für Millionen von Jahren war die Antarktis ein sehr kalter – aber stabiler – Lebensraum. Die Wassertemperaturen in der Hochantarktis schwanken nur um etwa 1,5 Grad Celsius, und daran haben sich die Bewohner angepasst. Doch diese ausgefeilten Spezialisierungen könnten ihnen nun zur Gefahr werden.

Die Polarregionen gehören zu den sich am schnellsten erwärmenden Gebieten der Erde. Für einige hochantarktische Regionen sagen Modellberechnungen einen Anstieg der Wassertemperatur von bis zu zwei Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts voraus. Solch eine Erhöhung wäre für einen Nordseefisch, der jährliche Temperaturschwankungen von teilweise über 20 Grad Celsius gewohnt ist, bereits belastend. Doch für antarktische Fische, mit ihrer geringen Temperaturtoleranz, kann dies lebensbedrohlich werden.

Dr. Tina Sandersfeld hat an der Universität Bremen Meeresbiologie studiert und anschließend am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar-und Meeresforschung während ihrer Doktorarbeit den Einfluss des Klimawandels auf antarktische Fische untersucht. Zur Zeit arbeitet sie als Wissenschaftlerin am Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg und untersucht die Folgen des Klimawandels für Europäische Fische.

In Laborexperimenten haben wir den Einfluss von erhöhten Temperaturen auf den Stoffwechsel, das Wachstum und die Futteraufnahme der Tiere untersucht. Obwohl den Tieren reichlich Nahrung zur Verfügung stand – eine Situation, die in der Natur eher selten ist – fraßen sie bei erhöhten Temperaturen weniger und konnten die aufgenommene Energie schlechter umsetzen. Bei einer Erhöhung der Wassertemperatur von nur zwei Grad Celsius wuchsen die Tiere bis zu 80 Prozent langsamer. Ein scheinbar kleiner Temperaturanstieg beeinflusst somit das Wachstum dieser kälteangepassten Fische im Labor stark. In der Natur könnte dies weitreichende Folgen für gesamte Populationen haben.

Ob sich diese Fische schnell genug an eine sich durch den Klimawandel erwärmende Umwelt anpassen können ist ungewiss. Ausgerechnet ihre einzigartigen Anpassungen an den Lebensraum des Südlichen Ozeans könnten eine der größten Gefahren für diese faszinierenden Tiere darstellen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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