Zum Wissenschaftsjahr 2018
Aquakultur statt Angelschnur

Aquakultur statt Angelschnur

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Carsten Schulz, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Aquakultur statt Angelschnur

Die Weltbevölkerung wächst, die Einkommen der Menschen steigen weltweit und die Nachfrage nach Speisefisch ist rapide gewachsen. Die Meere können mit der ansteigenden Nachfrage nicht mehr Schritt halten, und die aufkommende Versorgungslücke kann nur durch die Aquakultur gedeckt werden.

Nach Auskunft der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO) erreichte die weltweite Aquakulturproduktion im Jahr 2014 knapp 74 Millionen Tonnen. Der überwiegende Teil der Fischproduktion findet dabei im Süßwasser statt, doch auch die Meerwasseraquakultur zeigt mittlerweile ähnliche Zuwachsraten wie die Süßwasseraufzucht. Gemäß Prognosen wird die Weltbevölkerung von derzeit rund 7 Milliarden Menschen auf voraussichtlich 9,5 Milliarden Menschen im Jahr 2050 ansteigen und gemeinsam mit dem zunehmenden Wohlstand die weltweite Nachfrage nach Fisch deutlich ansteigen lassen. Wenn das gegenwärtige Niveau der Pro-Kopf-Versorgung mit Fisch von ca. 20 kg pro Kopf und Jahr aufrechterhalten werden sollte, müsste im Jahr 2050 die Produktion von Speisefisch auf etwa 190 Millionen Tonnen ausgedehnt werden. Bei der begrenzten Ertragsfähigkeit der Fangfischerei würde dies eine Erhöhung der Aquakulturproduktion auf mindestens 120 Millionen Tonnen verlangen.

Carsten Schulz ist Professor für Marine Aquakultur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und wissenschaftlicher Leiter der Gesellschaft für Marine Aquakultur (mbH) in Büsum. Herr Schulz beschäftigt sich mit Fragen der umweltgerechten Aquakulturentwicklung, insbesondere im Bereich der Fischernährung. 

Entsprechend der landwirtschaftlichen Tierproduktion ist die kontrollierte Fisch-Erzeugung auf die Bereitstellung verschiedenster Ressourcen angewiesen. Hier sind vor allem das Haltungsmedium Wasser und die notwendigen Futternährstoffe zu nennen, deren Verwendung möglichst an die lokalen Bedingungen angepasst und bei geringster Umweltinteraktion stattfinden sollte. So werden bei der Fischfütterung entsprechend der Ernährung anderer Nutztiere nicht verwertete Nährstoffe entweder im Kot gebunden oder in gelöster Form ausgeschieden und ins Haltungsmedium abgegeben.

Im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Nutztieren ist die von Fischen ausgeschiedene Nährstoffmenge vergleichsweise gering und macht z. B. bei Salmoniden (Lachsfischen) lediglich ein Viertel der relativen Nährstoffausträge der Rinderaufzucht aus.

Nährstoffemissionen verschiedener Nutztiere

 

Allerdings ist die Separation der ausgeschiedenen Nährstoffe aus dem Ablaufwasser vergleichsweise aufwendig, und bei unbehandelter punktueller Einleitung sind lokale Umweltauswirkungen nicht auszuschließen.

Deshalb ist in der Vergangenheit großer Forschungsaufwand betrieben worden, die Nährstoffretention der Fische zu erhöhen und zeitgleich die Nährstoffausträge zu minimieren. Wesentliche Fortschritte wurden dabei z. B. durch das Extrusionsverfahren in der Futtermittelherstellung erreicht, was zu einer Verringerung der Nährstoffemissionen um 50 bis 70 Prozent geführt hat. Durch den Einsatz spezifischer Zusatzstoffe (Enzyme, organische Säuren etc.) werden überdies Futternährstoffe für die Fische besser verfügbar und somit effizienter, also mit geringeren Nährstoffemissionen, verwertet.

Zur Aufrechterhaltung (oder gar zur Erhöhung) der Futternährstoff-ausnutzung durch die Fische werden auch zukünftig neue und innovative Strategien notwendig sein, um auf die wandelnden Rohstoffverfügbarkeiten für die dadurch bedingten komplexen Futterrationen reagieren zu können. Wurde vor etwa zehn Jahren noch ein Großteil des Nährstoffbedarfs von Zuchtfischen über den Einsatz von Fischmehl/-öl gedeckt, so hat sich dieser Anteil stark zurückentwickelt. Im Gegensatz zur rasanten Entwicklung der Aquakultur bewegt sich nämlich die Weltfischmehlproduktion in den vergangenen Jahrzehnten auf einem relativ konstanten Niveau, und es besteht keinerlei Korrelation zwischen dem Fischmehlangebot und der Aquakulturproduktion. Aufgrund des zunehmenden Futterrohstoffbedarfs in der Aquakultur änderte sich jedoch die Verwendung des Fischmehls gravierend, von der ursprünglichen Nutzung in der Hühner- und Schweinefütterung hin zum Einsatz in der Aquakultur. Durch die zunehmende Verknappung des Fischmehls stieg der Weltmarktpreis für Fischmehl/-öl zeitgleich auf das Vier- bis Fünffache des Niveaus aus dem Jahr 2000 an und ist in der Ernährung vieler Fischarten kaum mehr konkurrenzfähig. Alternativen, hergestellt aus Getreide, Öl- oder Hülsenfrüchten, werden heutzutage in großen Mengen eingesetzt und lassen den Fischmehlanteil in den Futtermitteln für Forellen und Lachse auf 10 Prozent und weniger sinken. Prognosen dazu weisen auf einen weiterhin abnehmenden Anteil an Fischmehl/-öl hin.

So wie die Tierhaltung einst die Jagd als Quelle von Fleisch für die menschliche Ernährung zunächst ergänzt und danach verdrängt hat, so wird auch die Aquakultur den Fischfang als Hauptquelle von Speisefischen zunehmend ersetzen. Die Aquakultur stellt sich den zunehmenden Herausforderungen einer umweltgerechten und gesellschaftlich akzeptierten Produktionsform und entwickelt kontinuierlich innovative Lösungen, um unsere wachsende Weltbevölkerung auch künftig mit gesundem Fisch zu versorgen.

Bitte konsumieren Sie möglichst nur nachhaltig gefischte Bestände von Fisch und Meeresfrüchten. Informieren Sie sich dazu beispielsweise in den einschlägigen Fischratgebern.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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