Zum Wissenschaftsjahr 2018
Aquakultur überholt Fischerei

Aquakultur überholt Fischerei

Ein Expertenbeitrag von Dr. Matthew James Slater

Aquakultur überholt Fischerei

Expertenbeitrag von Dr. Matt Slater Fisch ist die weltweit größte Quelle für tierisches Eiweiß. Aber woher wir unseren Fisch bekommen ändert sich, denn seit 2014 essen Menschen mehr Fisch aus der Aquakultur (74 Mio. Tonnen) als aus Wildfang (73 Mio. Tonnen). Fangerträge aus der Fischerei werden sinken. In einer Welt in der die Bevölkerung innerhalb der nächsten 30 Jahren bis auf 9,7 Milliarden Menschen anwachsen soll, und wo die Menschen bewusst mehr gesunden Fisch essen, ist eine wachsende Aquakultur daher die einzige Option, diese Nachfrage nach Fischprotein zu decken. Teilweise jedoch ist die Aquakultur noch nicht ökologisch nachhaltig.

Als Monokultur in küstennahen Gewässern in der Nähe von natürlichen Fischbeständen kann die Aquakultur Epidemien übertragen, genetische „Verschmutzung“ verursachen sowie negative Folgen für andere Tierarten in der Nähe des Aquakulturbetriebs erzeugen. Die Aquakultur in sogenannten „offenen“ Systemen überträgt Nährstoffe wie Stickstoff- und Phosphatverbindungen in schon stark beanspruchte und verschmutzte Küsten- und Fließgewässer.

Dr. Matthew James Slater forscht am Alfred-Wegener-Institut (AWI) und leitet dort die Gruppe Aquakultur-forschung.

In Europa ist es daher per se unmöglich, Gewässer mit herkömmlichen Aquakultur-produktionssystemen noch mehr zu beanspruchen. Da, wo es weniger Richtlinien und Regularien gibt, um die Aquakultur zu kontrollieren, sind die natürlichen Belastungsgrenzen der Gewässer auch unbestreitbar erreicht. Dennoch sind in Europa und weltweit neue Systeme und Standorte für ein starkes Wachstum der Aquakultur nötig. Diese befinden sich zwangsläufig im Inland und im Offshore- Bereich.

Im Inland erreichen geschlossene (und/oder teilgeschlossene) Kreislaufsysteme hohe Produktionsmengen. Diese Systeme reinigen das Abwasser der Fischproduktion mechanisch und biologisch und verwenden es erneut. Die Fischproduktion erfolgt marktnah und unabhängig von natürlichen Gewässern. Diese Systeme werden kommerziell erfolgreich in Deutschland (Garnelen, Tilapia), Großbritannien (Wolfsbarsch) und Skandinavien (Forelle, Lachs) betrieben. Es besteht auch weiterhin großes Potential z.B. bestehende Forellenproduktion als (Teil-)Kreisläufe zu betreiben, um wesentlich unabhängiger von Fließgewässer zu produzieren.

Der Offshore-Bereich bietet viel Platz, hohe Wasserqualität, geringen Austausch mit natürlichen Fischbeständen und aufgrund des großen Wasserkörpers und der Tiefe sind Nährstoffbelastungen geringer. Diese Standorte eignen sich aber nicht nur für Aquakulturprodukte, wie etwa Fische, welche gefüttert werden müssen, sondern auch für filtrierende Arten wie Muscheln oder Austern. Wenn die derzeit existierenden logistischen und ingenieurtechnischen Herausforderungen (u. a. Käfigdesign, um die Strömungen und Energie auszuhalten) vollständig überwunden werden können, sind in diesem Bereich sehr große Produktionsmengen möglich.

Die Aquakultur muss und wird sich im Inland und im Offshore-Bereich erweitern. Die Forschung die nötig ist, dies ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu gestalten, muss von der Aquakulturindustrie begleitet, begutachtet und befürwortet werden. Nur dadurch werden übertragbare neue Technologien entstehen und Anwendung finden können.

Bitte konsumieren Sie möglichst nur nachhaltig gefischte Bestände von Fisch und Meeresfrüchten. Informieren Sie sich dazu beispielsweise in den einschlägigen Fischratgebern.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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