Zum Wissenschaftsjahr 2018
Aquakultur: Fluch oder Segen?

Aquakultur: Fluch oder Segen?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Astrid Gärdes

Aquakultur: Fluch oder Segen?

Expertenbeitrag von Dr. Astrid Gärdes, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen Seit mehr als 2.000 Jahren schon züchten die Menschen Meerestiere in Aquakultur, in China sogar seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Heute werden weltweit jährlich rund 80 Tonnen Fische, Muscheln und Krebstiere aus Aquakultur vermarktet, das sind drei Viertel der Menge an Wildfängen. Letztere reichen einfach nicht mehr aus, um den globalen Bedarf an Eiweiß aus dem Meer zu decken. Keine andere Lebensmittelbranche ist daher in den vergangenen Jahren so stark gewachsen wie die Aquakultur.

Die Hotspots der Aquakultur liegen in Südostasien, wo sie eine wertvolle Quelle für Devisen und Beschäftigung darstellen. China vermarktet jährlich über 30 Millionen Tonnen Produkte aus Zuchtgehegen und liegt damit ganz vorne, gefolgt von Bangladesch, Indonesien und Vietnam. Dies sind Länder und Inselstaaten mit langen unbewohnten Küstenstreifen, die sich besonders für die Anlage von Aquakulturteichen eignen.

Die Branche kämpft jedoch mit etlichen ökologischen Problemen. Der steigende Bedarf an Aquakulturprodukten und großer Konkurrenzdruck veranlassen viele Fischbauern, die Haltung zu intensivieren. Überschüssige Nährstoffe und Fäkalien in den Teichen führen zu Algenblüten, in vielen Gehegen ist die Konzentration an Bakterien und Parasiten extrem hoch. Die Zugabe von Hormonen und Medikamenten an die Zuchtbestände belasten das Wasser zusätzlich.

Seit 2012 leitet die Mikrobiologin Dr. Astrid Gärdes am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) die Nachwuchsgruppe „Tropische Marine Mikrobiologie“. Sie befasst sich mit den Veränderungen von Bakteriengemeinschaften in tropischen Küstenökosystemen und den Umweltfolgen von Aquakultur.

Insbesondere aus offenen Netzgehegen an den Küsten gelangen die schädlichen Keime und Stoffe und der Überschuss an organischem Material ins freie Meerwasser. Darunter leiden nicht nur benachbarte Aquakulturanlagen, sondern auch die angrenzenden Küstenökosysteme wie Korallenriffe und Seegraswiesen, was zu erheblichen wirtschaftlichen und ökologischen Schäden führen kann.

Nicht zuletzt können auch wir Endverbraucher die Geschädigten sein. Deutschland beispielsweise importiert jährlich rund zwei Millionen Tonnen Aquakulturprodukte, China ist dabei einer der wichtigsten Handelspartner. Häufig sind Aquakulturprodukte mit Antibiotika belastet, die bei Menschen allergische Reaktionen auslösen können: Oft sind Meerestiere aus Zuchtanlagen mit Bakterien der Art Vibrio parahaemolyticus infiziert, die beim Verzehr auf Menschen übertragen werden – die Folge kann eine schwere Gastroenteritis sein.

Was können wir Verbraucher tun, um diesen Missständen entgegenzuwirken? Nur noch 15 Prozent der weltweiten Fischgründe sind stabil, sich also nur von Wildfängen zu ernähren, kann nicht die Lösung sein. Ich bin eine Befürworterin der Aquakultur, achte aber darauf, Produkte aus zertifizierten Anlagen zu kaufen, die bestimmte Standards nachhaltiger Zuchtmethoden einhalten. Solche Produkte sind entsprechend gekennzeichnet, zum Beispiel mit dem Siegel des ASC (Aquaculture Stewardship Council).


Bitte konsumieren Sie möglichst nur nachhaltig gefischte Bestände von Fisch und Meeresfrüchten. Informieren Sie sich dazu beispielsweise in den einschlägigen Fischratgebern.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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