Zum Wissenschaftsjahr 2018
Atoll-Inseln in Zeiten des Meeresspiegelanstiegs

Atoll-Inseln in Zeiten des Meeresspiegelanstiegs

Ein Expertenbeitrag von Dr. Thomas Mann

Atoll-Inseln in Zeiten des Meeresspiegelanstiegs

Expertenbeitrag von Dr. Thomas Mann, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen Der globale Meeresspiegel steigt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durchschnittlich um 1,2 mm pro Jahr. Laut Prognosen wird sich dieser Anstieg in Zukunft fortsetzen: Im Jahr 2100 könnte der Meeresspiegel bis zu einem Meter über seinem heutigen Niveau liegen. Besonders gefährdet vom Meeresspiegelanstieg sind die Küstenregionen der Tropen. Das liegt daran, dass tropische Küsten meist dicht besiedelt sind und die betroffenen Nationen oftmals Entwicklungsländer sind, denen die Wirtschaftskraft für umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen fehlt. Mit am stärksten werden die Inselstaaten im Indischen und Pazifischen Ozean betroffen sein.

Die bewohnbare Landfläche der Indo-Pazifischen Inselstaaten wird größtenteils von Atoll-Inseln gebildet. Atolle sind ringförmige Korallenriffe, die eine Lagune umschließen. Kalkschutt aus dem Riff, der aus den Hartteilen abgestorbener Organismen wie Schnecken, Muscheln und Korallen besteht, wird von den Wellen in Richtung Lagune transportiert. Dabei lagern sich der Sand und das Geröll ab und lassen so nach und nach eine Insel entstehen. Atoll-Inseln erheben sich nur wenige Meter über den Meeresspiegel. Ihre flache Morphologie ist einer der Hauptgründe, weshalb diese tropischen Landformen und die Menschen, die auf ihnen leben, vom Meeresspiegelanstieg bedroht sind.

Dr. Thomas Mann studierte Geologie und Paläontologie in Erlangen und promovierte 2015 am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen. Für seine Doktorarbeit befasste er sich mit der Entstehung und Dynamik von Riffinseln im Pazifischen und Indischen Ozean.

Versinkende Inseln sind aufgrund medialer Aufmerksamkeit zu einem Sinnbild des Klimawandels geworden. Wahr ist, dass viele Experten, die sich auf die eine oder andere Weise mit diesem Thema auseinandersetzen, eine Umsiedlung ganzer Atoll-Staaten auf das Festland für unausweichlich halten. Dies würde bedeuten, dass die betroffenen Inselbewohner nicht nur ihre Heimat verlieren, sondern auch ihre Jahrtausende alte Kultur.

Solche düsteren Aussichten werden jedoch von neueren Forschungserkenntnissen – zumindest teilweise – abgemildert. Auf Luft- und Satellitenbildern basierende Rekonstruktionen der Inselfläche über die letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Küstenlinien der untersuchten Atoll-Inseln hochdynamisch sind. Während es auf der dem Ozean zugewandten Seite der Inseln durchaus zu Küstenerosion kommen kann, baut sich zur selben Zeit die zur Lagune gerichtete Seite weiter aus. Die Küstendynamik kann also dazu führen, dass Inseln auf der Riffplattform wandern – ohne dabei zwangsläufig an Landfläche zu verlieren.

Ob dies auch in Zukunft der Fall sein wird, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Dabei werden vor allem die Geschwindigkeit des lokalen Meeresspiegelanstiegs, die Besiedlungsdichte und der Zustand des Riffökosystems, das Atoll-Inseln umgibt, von Bedeutung sein. Gesunde Riffe können mit dem Meeresspiegel nach oben wachsen und dadurch die Energie der Wellen abdämpfen, bevor sie auf die Inseln treffen und den Küstensand abtragen. Ein wissenschaftlicher Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen menschlichen und natürlichen Einflüssen wird uns helfen zu verstehen, wie sich diese Lebensräume in Zukunft entwickeln.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

 

 

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