Zum Wissenschaftsjahr 2018
Die Bedeutung von Mikroorganismen und ihre Erforschung

Die Bedeutung von Mikroorganismen und ihre Erforschung

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Frank Oliver Glöckner

Die Bedeutung von Mikroorganismen und ihre Erforschung

Expertenbeitrag von Prof. Dr. Frank Oliver Glöckner, Max Planck Institut für Marine Mikrobiologie und Jacobs UniversityWussten Sie, dass bis zu eine Million Mikroorgansimen in einem Milliliter Meerwasser leben? Warum braucht man Computer, um diese zu erforschen? Man sieht, spürt, riecht sie nicht und dennoch sind sie für praktisch alle biochemischen Prozesse, die im Meer stattfinden, verantwortlich. Mikroorganismen produzieren 50 Prozent des Sauerstoffs auf unserem Planeten und absorbieren dabei ebenso viel des Treibhausgases CO2.

Dadurch beeinflussen sie maßgeblich das Leben nicht nur im Meer, sondern auch an Land. Dennoch steckt unser Wissen über diese, für das bloße Auge unsichtbaren, Meeresbewohner in den Kinderschuhen.

Viele von Ihnen haben vielleicht schon vom Humangenomprojekt gehört. Dabei wurde in einem Zeitraum von nur rund zehn Jahren die gesamte Erbinformation (DNA) des Menschen erfasst – mit dem Ziel, diese vollständig zu entschlüsseln. Die gleichen molekularen Methoden, die sogenannten Omics Technologien, erlauben es heute, das Erbgut aller Mikroorganismen einer Umweltprobe zu erforschen. Speziell die Revolution im Bereich der hochparallelen Sequenzierung der DNA (Next Generation Sequencing, NGS) versetzt Meeresforscherinnen und Meeresforscher in die Lage, das gesamte mikrobielle Erbgut einer Wasserprobe extrem schnell und kostengünstig zu erfassen. Die Bioinformatik, also die Kombination aus Biologie und Informatik, ist dabei der Schlüssel, um diese riesigen Datenmengen verarbeiten, integrieren und analysieren zu können.

Seit 2004 leitet der Mikrobiologe und Bioinformatiker Prof. Dr. Frank Oliver Glöckner am Max Planck Institut für Marine Mikrobiologie die Arbeitsgruppe mikrobielle Genomforschung und Bioinformatik. Um den Kontakt zu den Studenten zu halten, lehrt und forscht er auch an der Jacobs University. Er befasst sich vor allem mit der integrierten, bioinformatischen Analyse von Sequenz- und Umweltdaten aus dem marinen Ökosystem.

Was kann man mit diesen Daten machen?
Nichts liegt also näher, als sich diesen Fortschritt zu Nutze zu machen, um das Leben im Meer nicht nur besser verstehen zu lernen, sondern es auch als Quelle für neue Enzyme und Wirkstoffe für die Medizin und Biotechnologie zu erschließen. Dies ist das Ziel der von der Europäischen Union geförderten Projekte Micro B3 (Marine Mikrobielle Biodiversität, Bioinformatik, Biotechnologie) und INMARE (Industrielle Anwendung von Marinen Enzymen).

Durch weltweite, koordinierte und standardisierte Probennahmen am 21. Juni 2014, 2015 und 2016, dem „Ocean Sampling Day (OSD)“, konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen reichen Datenschatz gewinnen. Die fast 200 beteiligten marinen Stationen erstecken sich von Europa und Nordamerika bis hin nach Afrika, Australien und Asien. Seit 2015 nehmen am OSD, im Rahmen des „Citizen Science“-Projektes MyOSD, auch Bürgerinnen und Bürger teil. So wurden als Teil des Wissenschaftsjahres Meere und Ozeane 1.000 Probenentnahme-Kits für die Beprobung der Nord- und Ostsee sowie deren Zuflüsse ausgegeben. Fast 800 haben bereits ihren Weg zurück nach Bremen gefunden.

Was ist bisher dabei herausgekommen?
Oftmals ist man sich nicht bewusst, wie viel Biotechnologie im täglichen Leben steckt. Waschmittel sind ein gutes Beispiel dafür. Jeder möchte seine Wäsche energie- und somit kosteneffizient sauber bekommen. Deshalb sind moderne Waschmittel randvoll mit Enzymen, die Proteine (Eiweiße) und Fette, möglichst bei niedrigen Temperaturen, problemlos spalten können. Das Meer mit seiner Durchschnittstemperatur von nur vier Grad Celsius ist somit eine wahre Fundgrube für diese Enzyme. Einige davon haben die Micro B3 und INMARE Forscher kürzlich identifiziert.

In Zeiten, in denen Krankheiterreger zunehmend resistent gegen Antibiotika werden, ist die Suche nach neuen wirksamen Medikamenten ein wichtiges Forschungsgebiet. Auch dabei kann das Meer helfen. Gleich zwei Antibiotika konnten im Rahmen des Micro B3 Projektes entdeckt werden. Beide stammen von Mikroorganismen, die auf Schwämmen leben und dort ihren Wirt vermutlich schon seit fast 600 Millionen Jahren gegen Angreifer schützen. Dies sind nur zwei Beispiele, die das reiche Leben unter Wasser illustrieren und das große Potential aufzeigen, das in dieser Schatzkammer noch schlummert.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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