Zum Wissenschaftsjahr 2018
Beobachtungen des Klimawandels am südlichen Ende der Erde

Beobachtungen des Klimawandels am südlichen Ende der Erde

Ein Expertenbeitrag von Dr. Doris Abele

Beobachtungen des Klimawandels am südlichen Ende der Erde

Ein Expertenbeitrag von Dr. Doris Abele, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Der globale Klimawandel, verursacht durch den steigenden Energieverbrauch und CO2-Ausstoß in den Industrieländern, hat die weit entfernte Antarktis längst erreicht. An der Westantarktischen Halbinsel, einem Gebiet welches sich gemessen am globalen Trend überdurchschnittlich schnell erwärmt, kommt es zu immer schnellerem Abschmelzen der Eismassen.

Schmelzwasserströme transportieren erodierte Sedimente von den Gletschern in die vorgelagerten marinen Bereiche und verändern dort vor allem das Lichtklima und den Salzgehalt mit massiven Auswirkungen auf die Ökosysteme (vgl. Abb. 1). Viele Organismen sind den Veränderungen nicht gewachsen und es kommt zur lokalen Abwanderung von Arten und Verschiebung von Lebensgemeinschaften. Dadurch nimmt die Artenvielfalt (Biodiversität) in den Küstenbereichen ab.

Dr. Doris Abele ist Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Sie leitet die ökologische Forschung am Dallmannlabor und die wissenschaftliche Kooperation mit Argentinien und hat in diesem Rahmen insgesamt acht Expeditionen in die Westantarktis durchgeführt.

Unbeeinflusst vom direkten menschlichen Zugriff zeigen uns die Veränderungen der Küstenökosysteme in der unbewohnten Westantarktis den Einfluss der globalen Erwärmung quasi in „Reinstkultur“. Eine ausreichend genaue Beobachtung der polaren (Öko)systeme ermöglichen Forschungsplattformen wie das Dallmannlabor auf der argentinischen Station Carlini, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und der EU „bilateral“ vernetzt mit argentinischen Partnergruppen forschen (www.imcoast.org, www.imconet.eu). Die Ergebnisse aus 25 Jahren Zusammenarbeit zeigen, wie sich Veränderungen von Klima und Gletschermasse auf die Lebensbedingungen der Organismen und die Artzusammensetzung auswirken. Längerfristig werden bestimmte typisch antarktische Tierarten immer weiter aus den nördlichen Bereichen der Halbinsel verschwinden. Einige Muschel- und Krebsarten, die erst vor wenigen Millionen Jahren in die Antarktis eingewandert sind und noch relativ nah verwandt sind mit den südamerikanischen Geschwisterarten, könnten das Feld übernehmen. Schon jetzt kommen einzellige Meeresalgen, die als Produzenten giftiger Naturstoffe in Südamerika toxische Blüten bilden, in geringer Konzentration auch in nordantarktischen Küstengewässern vor.

Ein Anstieg der durchschnittlichen Wassertemperatur kann ein vermehrtes Auftreten dieser Arten zur Folge haben. Es ist eine offene Frage, wie antarktische Fische oder Meeressäuger (Wale und Robben) auf diese Veränderungen reagieren werden. Wissenschaftlich gesehen haben wir einen der komplexesten interdisziplinären Datensätze für ein kleines Ökosystem im antarktischen Küstenraum zusammengetragen. Dieser erlaubt uns, die Zusammenhänge nicht nur zu beschreiben, sondern sie auch zu modellieren, um die Veränderungen und die zugrunde liegenden Prozesse quantitativ zu erfassen. Wir haben erreicht, dass viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa und Südamerika gemeinsame Ideen entwickeln und umsetzen können. Zugang zur Infrastruktur auf beiden Seiten und Training von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftern aus den Partnerländern hilft Grenzen abzubauen, Vorbehalte aufzulösen, und damit Chancen zu erhöhen, dass wissenschaftliche Arbeiten erfolgreich verlaufen und die gefährdeten polaren Ökosysteme in der Zukunft weiter beobachtet und besser geschützt werden.

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