Zum Wissenschaftsjahr 2018
Das Ende der Eis-Zeit?

Das Ende der Eis-Zeit?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Dirk Notz

Das Ende der Eis-Zeit?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Dirk Notz, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg.

Das Packeis der Arktis schwindet derzeit in atemberaubendem Tempo. Im Sommer haben sich in den letzten drei Jahrzehnten sowohl die Fläche als auch die Dicke des Eises ungefähr halbiert, drei Viertel des Gesamtvolumens des sommerlichen Packeises sind also bereits verschwunden. Und beim derzeitigen Ausstoß von Treibhausgasen wird auch das verbliebene Viertel rasch weiter schrumpfen, bis der Arktische Ozean vielleicht schon in 20 Jahren im Sommer ein Meer nahezu ohne Eis ist. Das Meereis der Arktis verändert sich damit wie Gletscher und Eisschilde in einem sich erwärmenden Klima nicht nur graduell, sondern wechselt irgendwann vom Zustand „existierend“ in den Zustand „nicht mehr existierend".

Dr. Dirk Notz leitet die Forschungsgruppe „Meereis im Erdsystem" am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. Dabei untersucht er die Entwicklung von Meereis im Rahmen von Feldexpeditionen, in Laborexperimenten und in großskaligen Klimamodellen. Zuvor studierte er Meteorologie in Hamburg, Seattle und auf Spitzbergen, und promovierte anschließend an der Universität Cambridge in England. Er hält regelmäßig öffentliche Vorträge zu den Ursachen und Folgen des Klimawandels, und ist für sein entsprechendes Engagement u.a. mit dem Klaus-Tschira Preis für verständliche Wissenschaft ausgezeichnet worden.

Während rein wissenschaftlich ein möglicher Übergang von „vergleichsweise wenig Meereis“ zu „gar keinem Meereis“ ähnlich gravierend ist wie der bereits stattgefundene Wandel von „vergleichsweise viel Meereis“ zu „vergleichsweise wenig Meereis“, ist mit dem kompletten Verlust des Meereises zumindest emotional eine andere Qualität verbunden. Der komplette Verlust dieser Landschaft, die sich wie gefrorenes Licht bis zum Horizont erstreckt, bedeutet nicht nur einen Verlust des Meereises selbst, sondern auch einen Verlust all der Mystik und Faszination, die diese Landschaft in den meisten Menschen auslöst.

Und wir alle sind für diesen Verlust direkt verantwortlich. Wir konnten kürzlich in einer Studie in der Fachzeitschrift Science nachweisen, dass für jede Tonne Kohlendioxid, die ein Mensch irgendwo auf der Erde freisetzt, etwa 3 m² sommerliches Packeis in der Arktis verschwinden. Damit ist jeder Mensch in Deutschland jedes Jahr im Mittel für das Verschwinden von mehr als 30 m² sommerlichen Packeises in der Arktis verantwortlich. Dieser Zusammenhang ergibt sich direkt aus der Wärmebilanz am Rande des Arktischen Packeises: erhöht sich dort aufgrund der ausgestoßenen Treibhausgase die einfallende Wärmestrahlung, zieht sich die Packeisgrenze zum Ausgleich in Richtung Norden zurück, wo weniger Sonnenlicht auf das Eis trifft. Das Packeis schrumpft. Die entsprechenden Prozesse ergeben dabei aus geometrischen Gründen den einfachen linearen Zusammenhang, den wir in unserer Studie nachweisen konnten.

Die Studie zeigt damit erstmals direkt, wie sehr wir alle dazu beitragen, diese mystische Landschaft verschwinden zu lassen. Andererseits zeigt sie aber auch, wie sehr wir alle dazu beitragen könnten, das Eis auch für nachfolgende Generationen zu erhalten.

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