Zum Wissenschaftsjahr 2018
Das Klima-„Gedächtnis“ der Ozeane

Das Klima-„Gedächtnis“ der Ozeane

Expertenbeitrag von Prof. Dr. Johanna Baehr

Das Klima-„Gedächtnis“ der Ozeane

Expertenbeitrag von Prof. Dr. Johanna Baehr, Universität Hamburg

Als Klimawissenschaftlerin werde ich gelegentlich gefragt, wie wir denn Aussagen über das zukünftige Klima machen können, wenn es nicht einmal gelingt, das Wetter verlässlich für einige Tage vorherzusagen. Tatsächlich sind Wettervorhersagen und Klimaprognosen aber zwei Paar Schuhe, das ist ein bisschen wie beim Fußball: Zwar weiß man nicht, wie das Spiel am Wochenende ausgeht – doch die Meisterschaft gewinnen tendenziell die Bayern.

Entscheidend für solche längerfristige Prognosen ist, dass es Komponenten gibt, die gewissermaßen ein „Gedächtnis"“ haben, wie zum Beispiel der Ozean. Sein Wasser speichert die Wärme – und zwar deutlich länger als die Atmosphäre. Wenn wir also hier an der Nordsee ein warmes Frühjahr haben, wirkt dies lange nach und beeinflusst unser Sommerwetter. Ähnlich verhält es sich mit dem Wasser in unseren Böden. So können feuchte Landflächen große Wärmemengen aufnehmen und beispielsweise Hitzewellen abschwächen. Denken wir etwa an den Sommer 2003: Damals war der Boden außergewöhnlich trocken, weil es im Frühjahr kaum geregnet hatte. Der kühlende Effekt durch die Bodenfeuchte fehlte und die Strahlungswärme konnte die Atmosphäre extrem aufheizen.

Prof. Dr. Johanna Baehr ist Ozeanographin und Klimaforscherin. Sie ist Mitglied des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg und des Exzellenzcluster für Klimaforschung CliSAP.

Hoch im Norden, in der Arktis, ist es das Meereis, das sich sozusagen „erinnert“: Ist der Winter sehr kalt, bildet sich eine deutlich größere Eisfläche, die im Frühjahr und Sommer umso später auftaut. Die Eisschicht isoliert die kalte Atmosphäre länger als sonst vom wärmeren Meerwasser, und die Luft erwärmt sich im Frühjahr nur langsam. Es ist daher wichtig, diese Komponenten in die Berechnung zu integrieren, wenn man längerfristige Entwicklungen vorhersagen möchte – anders als bei herkömmlichen Modellen zur Wettervorhersage, die sich vor allem auf die Prozesse in der Atmosphäre konzentrieren. Dort kommt der Ozean, wenn überhaupt, nur am Rande vor.

Generell unterscheiden Klimaforscherinnen und -forscher vier Arten von Vorhersagen: Neben der kurzfristigen Wettervorhersage sind dies saisonale Prognosen (für ein bis zwei Monate), dekadische Prognosen (für die nächsten fünf oder zehn Jahre) und schließlich langfristige Klimaprojektionen über viele Dekaden, hundert Jahre und mehr. Für alle benötigen wir unterschiedliche Rechenmodelle und mathematisches Handwerkszeug. Klimaprojektionen sind übrigens keine Vorhersagen im eigentlichen Sinne. Vielmehr geht es um unterschiedliche Zukunftsszenarien, die uns erwarten könnten – je nachdem, wie viele Treibhausgase wir zusätzlich in die Luft blasen.

Das Gute ist, dass der Weltozean auch einen Teil der Wärme aufnimmt, die durch den anthropogenen Treibhauseffekt entsteht – und so die globale Erwärmung ein Stück weit dämpft. Allerdings wirkt auch hier das Klimagedächtnis: Gelänge es, den Temperaturanstieg in der Atmosphäre zu begrenzen, würde die Erwärmung der Ozeane trotzdem noch lange nachwirken.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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