Zum Wissenschaftsjahr 2018
Das Larsen-C Schelfeis

Das Larsen-C Schelfeis

Ein Expertenbeitrag von Dr. Daniela Jansen

Das Larsen-C Schelfeis

Ein Expertenbeitrag von Dr. Daniela Jansen, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Hinweis aus der Redaktion:
Am 12.07.2017 hat das Alfred-Wegener-Institut die Ablösung des Eisbergs in einer Pressmeldung bestätigt 
"Ein gigantischer Eisberg ist entstanden"


Zur Zeit schauen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt gespannt auf die Antarktische Halbinsel. Am Larsen C-Schelfeis beginnt sich ein riesiger Eisberg vom Schelfeis abzulösen. Der zukünftige Eisberg wird in etwa 170 Kilometer lang und an seiner breitesten Stelle 50 Kilometer breit sein. Das heißt, seine Gesamtfläche wird über 5.000 Quadratkilometer betragen. Da seine Ausdehnung viel größer als seine Dicke ist, gleicht der Eisberg einer schwimmenden Scheibe, daher werden solche Eisberge auch als Tafeleisberge bezeichnet. Das Schauspiel lässt sich auch aus der Ferne mit Hilfe von Satellitenbildern beobachten. Der Riss im Schelfeis hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter vorgearbeitet und gerade im letzten Jahr hat er einige große Sätze nach vorne gemacht. Nun trennen die Rissspitze nur noch 20 Kilometer von der Schelfeiskante. Es stellt sich die Frage: Ist dies nur ein spannendes Naturschauspiel oder wird die Ablösung weitere Folgen und eventuell Auswirkungen auf den Meeresspiegel haben?

 

 

Bei Schelfeisen handelt sich um dicke, schwimmende Platten aus Eis, welche die Küste um die Antarktis säumen. Sie entstehen durch Gletscher, Ströme aus Eis, durch die das Eis vom Inland in den Ozean abfließt. Dort, wo das Eis das Land verlässt, an der sogenannten Gründungslinie, beginnt es aufzuschwimmen. Wenn mehrere Gletscher in eine Bucht münden, vereint sich das abfließende Gletschereis zu einem Schelfeis. Die schwimmenden Schelfeise bedeuten einen direkten Kontakt des Eises zum Ozean. Durch sie können sich Veränderungen im Südozean bis in das Inlandeis fortpflanzen. So wurde zum Beispiel beobachtet, dass Teile der Eisschilde im Inland an Masse verlieren, wenn deren Gletscher in Schelfeise münden, welche wiederum in Kontakt mit wärmerem Wasser kommen.

Dr. Daniela Jansen ist Glaziologin und erforscht am Alfred-Wegener-Institut das Fließverhalten von Eis, von mikroskopischen Betrachtungen einzelner Eiskristalle bis zur Deformation der Eisschilde.

Das Larsen C-Schelfeis ist das viertgrößte Schelfeis der Antarktis. Es hat eine Fläche von fast 50.000 Quadratkilometern und ist damit etwa so groß wie Niedersachsen. Seine Dicke beträgt in der Nähe der Gründungslinie bis zu 700 Meter, nimmt aber zur vorderen Kante hin auf 200 Meter ab. Da es schwimmt, ragt nur etwa ein Siebtel über die Wasseroberfläche hinaus.

Schelfeise schieben sich langsam aber stetig vorwärts Richtung Meer. Die Kante des Larsen Schelfeises rückt etwa 700 Meter pro Jahr vor. Deshalb ist das Kalben von Tafeleisbergen etwa alle 15 bis 20 Jahre ein natürlicher Teil des Massenhaushaltes. Doch bei den nördlichen Nachbarn des Larsen C-Schelfeises wurde dieses Gleichgewicht gestört: Statt des regelmäßigen Kalbens mit Zeitintervallen, in denen die Kante wieder vorstoßen konnte, begann sich die Front immer weiter zurückzuziehen. Dieser Prozess mündete schließlich in dem kompletten Zerfall der Schelfeise. Einiges spricht dafür, dass dieser Rückgang mit der Erwärmung in der Region der Halbinsel zu tun hat. So wurde zum Beispiel vermehrtes Oberflächenschmelzen auf den Schelfeisen beobachtet. Es ist aber immer noch in der Diskussion, zu welchen Anteilen auch der Ozean an der Destabilisierung beteiligt ist. Ist das Larsen C-Schelfeis nun auch in Gefahr? Einiges spricht dafür, denn es wurde noch nie zuvor beobachtet, dass sich die Kante des Schelfeises so weit zurückgezogen hat. Modellrechnungen zeigen außerdem, dass die neue Front instabil sein könnte. Denn die gesamte Eisplatte steht unter Spannung: Bricht an einer Schlüsselstelle ein Stückchen ab, können sich auch in anderen Teilen Risse ausbreiten, ähnlich wie bei einer Sicherheitsglasscheibe. Dies könnte letztendlich zum Zerfall des Schelfeises führen. Das Schmelzen von Schelfeisen und Eisbergen würde nichts am Meeresspiegel ändern, da sie bereits im Wasser schwimmen. Allerdings führt der Verlust des Schelfeises dazu, dass die Gletscher direkt ins Meer münden und viel schneller abfließen können als vorher. Genau das wurde im Falle der nördlichen Nachbarn von Larsen C beobachtet. Ob es wirklich schon so weit ist, wird sich bald zeigen.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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