Zum Wissenschaftsjahr 2018
Der Elbe auf den Grund gehen

Der Elbe auf den Grund gehen

Ein Expertenbeitrag von Dr. René Schwartz

Der Elbe auf den Grund gehen

Ein Expertenbeitrag von Dr. René Schwartz von der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie

Jahrzehntelang galt die Elbe als einer der dreckigsten Flüsse Mitteleuropas. Der Fluss war strecken- und phasenweise ökologisch zerstört. Vor allem ab Mitte der 1980er bis Ende der 1990er Jahre hat sich die stoffliche Gewässergüte wesentlich verbessert. Gehalte und Frachten elberelevanter anorganischer und organischer Schadstoffparameter haben sich in dieser Zeit maßgeblich verringert. Aufgrund der deutlich gestiegenen Gewässerqualität kehrte das Leben zurück in den Fluss. Mittlerweile attestiert die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE), dass mit insgesamt 112 Fischarten die Elbe wieder einer der belebtesten Ströme Mitteleuropas ist. Einerseits.

Andererseits ist seit den 2000er Jahren bis heute in Bezug auf zahlreiche Schadstoffe kaum eine weitere nennenswerte Verbesserung der Belastungssituation festzustellen. Dies hat zur Folge, dass es nach wie vor in Teilbereichen zu Einschränkungen beim Verzehr von Fischen, Milch und Fleischprodukten sowie zu Futtermittelbelastungen in den Auen kommt. Die Schadstofffracht der Elbe trägt weiterhin in erheblichem Maß zur Belastung der Nordsee bei und betrifft damit auch Aspekte des Meeresumweltschutzes.

Der aktuelle „Schadstoffcocktail“ der Elbsedimente beinhaltet insgesamt 29 Elemente und Verbindungen von überregionaler Bedeutung. Die historischen und rezenten Schadstoffquellen sind im gesamten Elbe-Einzugsgebiet zu finden. Grundsätzlich gilt, dass aus der Tschechischen Republik überwiegend organische Schadstoffe wie z. B. Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Hexachlorbenzol (HCB), Polychlorierte Biphenyle (PCB) und die Haloether stammen. Aus der Mulde und Saale kommen vor allem Schwermetalle wie Cadmium (Cd), Zink (Zn), Quecksilber (Hg), Kupfer (Cu), Blei (Pb) sowie das Halbmetall Arsen (As) aber auch die Dioxine und Furane (PCDD/F) sowie das Hexachlorcyclohexan (HCH). Hamburg stellt weiterhin eine bedeutsame Schadstoffquellregion bzgl. des Tributylzinn (TBT) dar.

Dr. René Schwartz ist Diplom-Biologe und promovierter Bodenkundler. Seit mehr als zwei Jahrzehnten steht die Elbe im Zentrum seiner Arbeit. Bisherige berufliche Stationen sind die Universität Hamburg (Fachbereich Geowissenschaften), das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (Berlin), die Technische Universität Hamburg-Harburg (Fachbereich Energie- und Umwelttechnik) sowie die Behörde für Umwelt und Energie - Abteilung Wasserwirtschaft (Hamburg).

Zweck der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie der Schutz und die Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängigen Landökosysteme. Über Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme sollen insbesondere die biologischen Qualitätskomponenten (Makrozoobenthos – die am Gewässerboden lebenden wirbellosen Tiere, Makrophyten – Wasserpflanzen, Phytobenthos – am Gewässerboden anhaftende Algen, Phytoplankton – in der Wassersäule schwebende Algen) bis spätestens 2027 in einen guten ökologischen Zustand bzw. in ein gutes ökologisches Potential geführt werden.

Den chemischen Zustand der Oberflächengewässer bewertet die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) anhand des Vorkommens von prioritären Stoffen, für die in der Tochterrichtlinie über Umweltqualitätsnormen Höchstwerte für die Jahresdurchschnitte der Stoffkonzentrationen und für einige auch die zulässige Höchstkonzentration festgelegt sind. Die jeweiligen Umweltqualitätsnormen berücksichtigen den Schutz der Gewässerorganismen (einschließlich der Anreicherung in der Nahrungskette) und der menschlichen Gesundheit.

Aktuell wird der chemische Zustand der Elbe und ihrer schadstoffrelevanten Nebenflüsse offiziell als „nicht gut“ ausgewiesen. Es sind daher in den kommenden Jahren weitere Maßnahmen zur Schadstoffreduktion erforderlich. Erfolgsversprechend für die fristgerechte Erreichung einer guten stofflichen Qualität im Elbeeinzugsgebiet ist allein eine einzugsgebietsweite wasserwirtschaftliche Zusammenarbeit im Sinne einer Solidargemeinschaft. Hierzu bedarf es der zeitlich und räumlich gleichrangigen Betrachtung aller relevanten Nutzungen entlang des gesamten Flusses und seiner Auen und Marschen. Auf Basis dieser Nutzungsansprüche sind verbindliche Sedimentqualitätsziele abzuleiten. Ohne die Umsetzung konkreter Sanierungsmaßnahmen zur Reduzierung der primären und sekundären Schadstoffquellen ist die WRRL-Zielerreichung für die Elbe stark gefährdet.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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