Zum Wissenschaftsjahr 2018
Die Globalisierung mariner Ökosysteme durch den Schiffsverkehr

Die Globalisierung mariner Ökosysteme durch den Schiffsverkehr

Ein Expertenbeitrag von Dr. Hanno Seebens

Die Globalisierung mariner Ökosysteme durch den Schiffsverkehr

Ein Expertenbeitrag von Dr. Hanno Seebens, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBIK-F)

Schiffe transportieren täglich gigantische Mengen an Waren und Gütern um die Welt. Der kostengünstige Transport mit Schiffen stellt das Rückgrat der Globalisierung des Handels dar. Allerdings werden nicht nur Waren und Güter mit Schiffen transportiert, sondern auch Tiere und Pflanzen, die als blinde Passagiere auf oder an den Schiffen mitreisen. Somit gelangen Organismen in neue Regionen, die sie ohne die Hilfe des Menschen nie erreicht hätten. Die bewusste oder unbewusste Verfrachtung von Organismen durch den Menschen in Gebiete, die sie ohne den Menschen nie erreicht hätten, nennt man Bioinvasion.

Ozeane und Meere stellen für viele Arten normalerweise ein unüberwindbares Hindernis dar. Schiffe verbinden nun weit entfernte Gebiete und können damit diese Hindernisse überbrücken. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten der Mitreise. Ein wichtiger Vektor ist das Ballastwasser, welches Frachtschiffe benötigen, um stabil im Wasser zu liegen. Das Ballastwasser wird aus dem Hafenbecken gepumpt und an anderen Orten wieder ausgetauscht, so dass es auch zu einem Austausch an Arten kommt. Das sind häufig kleine Organismen wie Zooplankton oder Phytoplankton, aber auch die Larven von Fischen, Krebsen und Muscheln. Eine andere Möglichkeit ist die Anheftung am Schiffsrumpf oder der Transport in Containern auf dem Schiff. Der Schiffsverkehr spielt daher nicht nur für marine Organismen eine Rolle sondern auch für terrestrische Tiere und Pflanzen.

Dr. Hanno Seebens studierte Ökologie an der Universität Essen. Nach der Promotion 2008 an der Universität Konstanz folgten PostDoc-Tätigkeiten an den Universitäten Oldenburg und Wien, bevor er seine durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierte Stelle am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Frankfurt, antrat. Mit Hilfe von Computermodellen untersucht er die Ausbreitung von Arten über komplexe Netzwerke wie den internationalen Handel oder den Schiffsverkehr.

In den meisten Fällen überleben die Organismen den Transport nicht oder können in den Zielgebiete nicht überleben. Aber manchmal passt alles zusammen und die Arten können in der neuen Umgebung überleben und sich ausbreiten. Noch viel seltener können die Neuankömmlinge in ihrer neuen Heimat zu Problemen führen, indem sie einheimische Arten verdrängen oder Kosten zur Bekämpfung verursachen, vor allem in der Forst- und Landwirtschaft.

Es wird geschätzt, dass in der EU mehrere Milliarden Euro zur Bekämpfung solcher invasiver Arten ausgegeben werden – pro Jahr. Für die Ökosysteme stellt sich ein weiteres Problem dar: Die Lebensgemeinschaften in den verschiedenen Regionen werden immer ähnlicher und verlieren weltweit ihre Einzigartigkeit. Die Globalisierung des Handels führt daher auch zu einer Globalisierung der Ökosysteme und Lebensgemeinschaften, so dass regionale Unterschiede verschwinden.

Grundsätzlich ist die Ausbreitung von Organismen ein natürlicher Prozess. Über lange Distanzen findet eine Ausbreitung aber nur sehr selten statt. Der Mensch hat durch sein Handeln die Intensität des Austauschs enorm erhöht. Auch wenn die Einführung einer neuen Art pro Ware oder Schiff sehr gering ist, führt die hohe Intensität der Einführung zu rapiden Anstiegen solcher gebietsfremden Arten auf der ganzen Welt. Unsere aktuelle Studie hat gezeigt, dass im Durchschnitt eine neue Art pro Tag weltweit hinzukommt. Die Rate der Einführung neuer Arten geht für fast alle Gruppen an Organismen steil nach oben, so dass wir mit vielen neuen Arten in der Zukunft rechnen müssen.

Die Einwanderung neuer Arten führt zu einer Veränderung der uns bekannten Natur. Das ist ein schleichender Prozess, den wir kaum wahrnehmen, aber mit langfristigen Folgen. Neue Arten kommen hinzu und uns bekannte Arten verschwinden aus unserem Blickfeld. So ist der Europäische Flusskrebs durch eingeschleppte Krebse in Randgebiete seiner ursprünglichen Ausbreitung gedrängt worden und die Ulmen in Europa stehen aufgrund eines Pilzes aus Asien kurz vor dem Aussterben. Dies ist ein globales Phänomen, das alle Gebiete der Erde betrifft und vor allem auf Inseln wie Hawaii oder Galapagos ein großes Problem darstellt. Erste vereinzelte Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung sind ergriffen worden, aber eine effektive Bekämpfung benötigt ein global koordiniertes Handeln auf allen Ebenen und das Bewusstsein des Problems in der breiten Öffentlichkeit. Eine neue internationale Verordnung zur Klärung des Ballastwassers von Frachtschiffen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber weitere Anstrengungen sind nötig, um das bisherige Ausmaß der Bioinvasion einzudämmen.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.