Zum Wissenschaftsjahr 2018
„Klimaflüchtlinge“ im Völkerrecht

„Klimaflüchtlinge“ im Völkerrecht

Ein Expertenbeitrag von Dr. Alexander Proelß

„Klimaflüchtlinge“ im Völkerrecht

Ein Expertenbeitrag von Dr. Alexander Proelß, Universität Trier

Im Zuge der globalen Erderwärmung rückt der Umgang des Völkerrechts mit so genannten Klimaflüchtlingen zunehmend in den Vordergrund des Interesses. Als Klimaflüchtlinge werden Menschen bezeichnet, die auf Grund der Folgen des Klimawandels ihre angestammten Siedlungsgebiete verlassen. Einige Studien gehen davon aus, dass im Jahr 2050 bis zu 200 Millionen Menschen allein auf Grund des Meeresspiegelanstiegs in andere Regionen ihrer Heimatstaaten bzw. andere Staaten migrieren müssen.

Von diesen Folgen wird gerade auch der Mittelmeerraum betroffen sein, machen sich die Folgen des Klimawandels etwa in Afrika doch deutlich gravierender bemerkbar als in Europa. Auf den Schutz des internationalen Flüchtlingsrechts, das vor allem in der 1951 geschlossenen Genfer Flüchtlingskonvention kodifiziert ist, können sich diese Menschen nicht berufen, denn im Rechtssinne handelt es sich bei ihnen nicht um Flüchtlinge. Die Genfer Flüchtlingskonvention sieht diesen Status nur für eine Person vor, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt“ (Art. 1 A. Nr. 2). Menschen, die vor Bürgerkriegen, Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Krisen fliehen, werden hiervon prinzipiell nicht erfasst.

Auch die internationalen Menschenrechte bieten bislang keinen ausreichenden Schutz. Zwar können klimawandelbedingt auftretende Überflutungen, Stürme, Dürren etc. menschenrechtliche Gewährleistungen – insbesondere die Rechte auf Leben, auf freie Wahl des Wohnsitzes im Heimatstaat, auf Gesundheit und auf einen angemessenen Lebensstandard – betreffen, jedoch ist es mangels Nachweisbarkeit der kausalen Verknüpfung eines bestimmten staatlichen Handelns mit einer Umweltfolge häufig ausgeschlossen, den betreffenden Staat für die konkret in Rede stehende Folge des Klimawandels verantwortlich zu machen. Eine das Konzept der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung umsetzende Gesamtschuldnerschaft der Staatengemeinschaft, die es für ausreichend erachtet, dass jeder Staat einen – wenn auch unterschiedlichen – Beitrag zum Klimawandel geleistet hat, ist im geltenden Völkerrecht bislang nicht akzeptiert.

Was schließlich das internationale Klimaschutzrecht anbelangt, ist der Schutz des Individuums bislang nur eine mittelbare Folge der bestehenden zwischenstaatlichen Regelungen. Das Übereinkommen von Paris, das am 12. Dezember 2015 mit dem Ziel geschlossen wurde, die menschengemachte Erderwärmung im globalen Durchschnitt auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu verringern, verweist in seiner Präambel lediglich allgemein darauf, dass „die Vertragsparteien beim Vorgehen gegen Klimaänderungen ihre jeweiligen Verpflichtungen im Hinblick auf die Menschenrechte, das Recht auf Gesundheit, die Rechte von indigenen Völkern, lokalen Gemeinschaften, Migranten, Kindern, Menschen mit Behinderungen und besonders schutzbedürftigen Menschen [...] achten, fördern und berücksichtigen“ sollen.

Dr. Alexander Proelß ist Universitätsprofessor für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht und Europarecht, und Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen vor allem das internationale See- und Umweltrecht, das Außenverfassungsrecht sowie ausgewählte Bereiche des nationalen Umweltrechts.

Der Schutz von Menschen, die sich aufgrund der Folgen des Klimawandels auf die Flucht begeben, ist im Völkerrecht nicht bzw. nur rudimentär geregelt. Es ist dringend notwendig, diese Lücke mittels eines mehrdimensionalen Ansatzes zu schließen, der Aspekte des zwischenstaatlichen Umweltvölkerrechts und der internationalen Katastrophenschutzpolitik integriert. So sollten zum einen bereits existierende Regulierungsrahmen, die dem Schutz von Binnenvertriebenen gewidmet sind, gestärkt sowie Maßnahmen zur Verringerung der Verwundbarkeit in von Naturkatastrophen besonders betroffenen Gegenden getroffen werden. Zum anderen könnten diese „vor Ort“ zum Tragen kommenden Mechanismen durch globale Strategien ergänzt werden.

Die Aushandlung eines konkret dem Umgang mit Klimaflüchtlingen gewidmeten Zusatzprotokolls zur UN-Klimarahmenkonvention oder die Entwicklung von Ansätzen zur Einbeziehung menschenrechtlicher Fragen in die anerkannten (bislang nur auf zwischenstaatlicher Ebene vorhandenen) umweltvölkerrechtlichen Grundsätze, kämen hierfür in Frage. An dem Bedürfnis, gerechte Lösungen für den Umgang mit Klimaflüchtlingen zu entwickeln, kann gerade vor dem Hintergrund der primären Verantwortung der Industriestaaten für den Klimawandel kein Zweifel bestehen.

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

Mehr zum Themenfeld: