Zum Wissenschaftsjahr 2018
Klimainformationen aus Eiskernen – Eine Frage der Datierung

Klimainformationen aus Eiskernen – Eine Frage der Datierung

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Ilka Weikusat

Klimainformationen aus Eiskernen – Eine Frage der Datierung

Ein Expertenbeitrag von JProf. Dr. Ilka Weikusat, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven und Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Um die Dynamik des Klimawandels besser zu verstehen und präzisere Prognosen für das Klima der Zukunft zu erstellen, studieren Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler Klimaarchive – u.a. Eiskerne aus Grönland und der Antarktis. In Grönland wurde der erste, aus rein wissenschaftli­chen Motiven erbohrte Eiskern 1981 gewonnen. Er war 2.037 Meter lang. Dabei gilt: Je tiefer die Bohrung, desto älter das Eis. Doch wie alt ist Eis in einer bestimmten Bohrtiefe? Wie kann z.B. nachgewiesen werden, dass die ältesten Schichten einer drei Kilome­ter tiefen Bohrung im Norden des grönländischen Eisschildes 130.000 Jahre alt sind und damit die gesamte letzte Eiszeit umfassen und sogar in die letzte Warmzeit reichen?

Um die oberen und daher jüngeren Schichten eines Kerns zu datieren, machen sich Eisforscher Verunreinigungen im Kern zunutze, die einen jährlichen Rhythmus aufwei­sen. Seit Jahrzehntausenden transportieren Winde im Rhythmus der Jahreszeiten feinste Staub­partikel aus den Wüsten Asiens und laden sie über Grönland ab. Aber auch riesige Waldbrände auf dem nordamerikanischen Kontinent haben ihre Spuren in Grönlands Eis hinterlassen.

JProf. Dr. Ilka Weikusat hat Geologie mit einer Spezialisierung in der Strukturgeologie in Mainz studiert (Diplom 2003).  Sie hat ihre Doktorwürde 2008 von der Universität Bremen mit „summa cum laude“ für ein Arbeit zu Mikrostrukturen in Eiskernen verliehen bekommen. Seit 2012 leitet sie eine Nachwuchsgruppe zum Thema „Deformationsmechanismen für die Eisschilddynamik“ am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven, in Kooperation mit der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Manche dieser Verunreinigungen sind mit dem bloßen Auge sichtbar, andere können mit einem Scanner oder chemischen Analysen, wie etwa von Schwefelkomponenten, sichtbar gemacht werden. So erkennt man als dunklere Schichten Vulkanaschenlagen. Diese stammen z.B. aus isländischen Vulkan­ausbrüchen, deren Chronologie für die Zeit seit der Besiedlung der Insel gut bekannt ist, oder deren geochemischer Fingerabdruck weltweit zugeordnet werden kann. Vulkanaschenlagen stellen also eine besondere Datierungsmöglichkeit dar, da sie zu den wenigen Spurenstoffen im Eis zählen, die Schichten einem absoluten Alter zuordnen. Weitere Analysen ermöglichen die relative Datierung im Vergleich mit anderen Klimaarchiven. Dazu gehören unter anderem die elektrischen Eigenschaften des Eises und Sauerstoffisotope in den einzelnen Schichten.

Aus absoluten Zeitmarkern wie die Vulkanereignisse und relativen Zeitskalen entsteht ein Kalendarium, das im Lauf der letzten Jahrzehnte immer weiterentwickelt wurde und inzwischen die letzten 800.000 Jahre der Erdgeschichte umfasst. Dieses bisher älteste, erbohrte Eis findet man allerdings nicht in Grönland, sondern an der Basis des antarktischen Eisschildes. Besonders in diesem sehr alten Eis werden neben den o.g. Ansätzen für uns Eisforscherinnen und Eisforscher weitere Methoden wichtig. Denn je älter das Eis, desto dünner die einzelnen Schichten, denn die Last des darüber liegenden Eispanzers dünnen die Schichten aus, so dass ab einer bestimmten Tiefe keine Jahresrhythmen mehr erkennbar sind.

Sehr altes Eis kann daher nur mit Hilfe von Computermodellen datiert werden. Diese Modelle berücksichtigen den jährlichen Schneefall und das Fließverhalten des Eises, also die Art, wie das Eis durch die Auflast immer neuer Schichten zusammengedrückt und horizontal bewegt wird. Dabei geht man von einem gleichförmigen Zusammendrücken der Schichten überall aus. Hinzu kommt eine starke horizontale Scherung in den unteren Schichten bei der sich Eismassen in horizontaler Richtung über darunterliegende verschieben. Diese Scherung, auch einfache Scherung genannt, kann sehr leicht zu Falten und Störungen führen. Diese und weitere Erkenntnisse der aktuellen Forschung erschweren die Datierung von sehr altem Eis in Eiskernen und fordern uns Forscherinnen und Forscher immer wieder dazu heraus, neue Methoden und Modelle zu entwickeln. Wir nehmen diese Herausforderung gerne an, besonders um eines der nächsten großen, internationalen Eisbohrprojekte in der Antarktis zum Erfolg zu führen: den mit 1,5 Millionen Jahren ältesten Eiskern zu erbohren und zu interpretieren. Derzeit laufen dafür die Vorerkundungen.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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