Zum Wissenschaftsjahr 2018
Klimastress in den Ozeanen

Klimastress in den Ozeanen

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Kießling

Klimastress in den Ozeanen

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Kießling, GeoZentrum Nordbayern, Universität Erlangen-Nürnberg Der Einfluss des heutigen Klimawandels ist auch im Meer dramatisch. Obwohl deutlich schwerer zu dokumentieren als an Land, zeigen inzwischen mehrere Studien, wie stark Meeresorganismen bereits heute auf die globale Erwärmung reagieren. Jahreszeitliche Planktonblüten beginnen früher, Korallen wachsen langsamer und sind häufiger von Korallenbleiche betroffen, Meerestiere werden kleiner und vor allem wandern alle Tiere und Pflanzen in kühlere Meeresregionen. Für die meisten Meeresorganismen heißt „Wanderung“ eine passive Verdriftung von Larven, die an neuen Stellen geeignetere Lebensbedingungen vorfinden, weil die ursprünglichen Lebensräume wegen der Erwärmung nicht mehr attraktiv sind.

Prof. Wolfgang Kießling hat seit 2012 den Lehrstuhl für Paläobiologie und Paläoumwelt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg inne und leitet seit 2016 die DFG-Forschergruppe „Temperaturbedingte Stressfaktoren als vereinheitlichendes Prinzip in früheren Massenaussterben“. In seiner Forschung verknüpft er Ökologie und Evolution auf verschiedenen Raum-Zeitskalen, besonders bei Korallenriffen.

Erwärmungsbedingte Migration bewegt sich überwiegend in Richtung der Pole, und zwar in den Meeren sogar noch schneller als an Land. Das hängt damit zusammen, dass sich die Meerestemperatur an einer Stelle zwar langsamer erhöht als an Land, aber die sogenannten räumlichen Temperaturgradienten wesentlich geringer sind. Das bedeutet, Arten müssen schneller wandern um in ihrem gewohnten Temperaturbereich zu bleiben, durchschnittlich sieben Kilometer pro Jahr.

Trotz der heute schon dramatischen Konsequenzen des Klimawandels ist in den Ozeanen nach bisheriger Kenntnis (noch) kein klimainduziertes Artensterben zu beobachten. Die Preisfrage lautet nun: Unter welchen Bedingungen kann Klimawandel zu massenhaftem Artensterben führen? Hier lohnt sich der Blick in die geologische Vergangenheit: Mit großer Wahrscheinlichkeit sind mindestens zwei der größten Massenaussterben der Erdgeschichte durch Wärmekrisen verursacht worden. Bis zu 90% aller Meeresarten, darunter auch Trilobiten und Riffkorallen, sind bei den Krisen vor 250 und 200 Millionen Jahren ausgestorben. Die Erwärmung wurde damals durch Treibhausgasfreisetzung aus gigantischen Vulkanen verursacht. Erwärmung, Sauerstoffverlust und Ozeanversauerung waren damals wie heute die entscheidenden Stressfaktoren. Wahrscheinlich war vordem nur die Dimension der Veränderung noch deutlich höher als heute; wir gehen von mindestens 8 Grad Celsius Erwärmung des Meeresoberflächenwassers aus.

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