Zum Wissenschaftsjahr 2018
Nicht erst warten, bis die Netze leer bleiben

Nicht erst warten, bis die Netze leer bleiben

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Myron Peck

Nicht erst warten, bis die Netze leer bleiben

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Myron Peck, Universität Hamburg Welchen Fisch wir künftig auf dem Teller haben und ob wir uns Austern und Hummer noch leisten können, das bestimmt auch der Klimawandel. Dabei geht es nicht nur darum, dass es bestimmten Arten schlichtweg zu warm wird. Fischerei und Aquakulturindustrie leiden auch unter den indirekten Folgen des Klimawandels, etwa wenn giftige Algenblüten häufiger auftreten, sich im warmen Wasser und der Enge der Fischfarmen Krankheitskeime ausbreiten oder Unmengen von Quallen die Netze verstopfen.

Prof. Dr. Myron Peck koordiniert das Projekt "Climate change and European aquatic RESources" (ceresproject.eu). Er forscht am Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft und ist Mitglied des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg.

In den letzten Jahren hat die Wissenschaft deshalb neue Werkzeuge entwickelt, um den Einfluss der Erderwärmung auf die Bestände von Fischen und Schalentieren vorherzusagen. Dafür werden klassische Klimarechnungen, die Angaben zu Temperatur, Strömung oder Versauerung der Ozeane liefern, mit biologischen Modellen zu Wachstum, Wanderung und Reproduktion kombiniert. Dazu kommen ökonomische und politische Kennzahlen wie Fangquoten und Preise. Die Ergebnisse sind eindeutig: Der Klimawandel wird das Artenspektrum, die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit der europäischen Fischerei und Aquakultur verändern. Dabei wird es Verlierer geben, aber möglicherweise auch Gewinner.

Nehmen wir beispielsweise die Lachszucht: Entsprechende Farmen finden sich von Irland bis hoch nach Norwegen. Doch was geschieht, wenn der Klimawandel die Ozeane erwärmt? Werden all diese Farmen von erhöhten Wassertemperaturen profitieren? Werden andere, neue Arten an Bedeutung für die Industrie zunehmen?

Es gilt, die Fischerei und Aquakulturindustrie über die Folgen des Klimawandels zu informieren und schon jetzt gemeinsam nach Lösungen zu suchen. So müssen Fischer künftig womöglich längere Wege in Kauf nehmen, wenn Arten aus ihren angestammten Fanggründen verschwinden, und rechtzeitig in anderes Gerät oder sogar in neue Schiffe investieren. Zuchtlachse und Muscheln könnten kleiner bleiben und die Kosten für die Farmen in die Höhe treiben. Umgekehrt könnten Arten, die zu fischen sich bisher nicht lohnte, interessant werden – wie etwa der Wolfsbarsch, der künftig in der Nordsee bessere Bedingungen vorfindet.

Fangquoten und Schutzgebiete müssen neu ausgehandelt werden. Denn auch das zeigen die Modelle: Sind die Bestände überfischt, macht dies die Populationen anfälliger für die Folgen des Klimawandels. Gleichzeitig könnten völlig neue Interessenskonflikte entstehen, wenn zum Beispiel Windparks und Aquakulturindustrie in Zukunft um die gleichen Flächen konkurrieren.

Zusammen mit 25 Partnern aus 15 Ländern – darunter Großbritannien, die Niederlande, Dänemark und Spanien – arbeiten wir derzeit an solchen Zukunftsszenarien. Beteiligt sind Universitäten und Forschungsinstitute, aber auch Verbände und Industriepartner – von großen Zuchtbetrieben bis hin zu einzelnen Fischern. Dabei geht es um Anpassungen der Produktion, drohende Überfischung, um Investitionen und Wirtschaftlichkeit. Die Europäische Union fördert diese Aktivitäten im Rahmen ihrer Blue Growth Strategie.

Bitte konsumieren Sie möglichst nur nachhaltig gefischte Bestände von Fisch und Meeresfrüchten. Informieren Sie sich dazu beispielsweise in den einschlägigen Fischratgebern.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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