Zum Wissenschaftsjahr 2018
Lärm im Meer beeinträchtigt Meerestiere

Lärm im Meer beeinträchtigt Meerestiere

Ein Expertenbeitrag von Dr. Christina Müller-Blenkle

Lärm im Meer beeinträchtigt Meerestiere

Ein Expertenbeitrag von Dr. Christina Müller-Blenkle, Consultant Marine Animals and Noise

Schall spielt im Leben vieler Meerestiere eine wesentliche Rolle zur Orientierung und Kommunikation. Er ermöglicht auch in völliger Dunkelheit Informationen über die Umwelt zu sammeln oder auch Gefahren zu erkennen.

Wale und Delfine gelten als sehr kommunikativ, aber auch viele andere Meerestiere, denen wir es eher nicht zutrauen, nutzen Schall in vielfältiger Weise. Fische sind alles andere als stumm, sondern produzieren teilweise laute Geräusche zur Revierabgrenzung oder finden ihre Partner zur Paarung mit Grunzlauten. So sind Fische wie „Knurrhahn“ und „Krötenfisch“ oder die „Knallkrebse“ zu ihren Namen gekommen.

Natürliche Schallquellen wie Wind, Regen und Brandung bilden den natürlichen Hintergrundschall, in dem alle Meerestiere leben und an den sie angepasst sind. Doch durch die Industrialisierung kam Lärm von Schiffen und anderen Maschinen dazu, der überwiegend tieffrequent ist und im Wasser besonders weit getragen wird. Dieser anthropogene, von Menschen verursachte Lärm trägt auch weit ab von z.B. Schifffahrtsrouten zur Erhöhung des Hintergrundschalls im Meer bei.

Über die letzten Jahrzehnte wurde in den wenigen Gebieten, für die es Langzeitschallmessungen gibt, eine Verdoppelung der Schallintensität pro Dekade gemessen. So wird Kommunikation und Orientierung für Tiere schwieriger und wichtige Signale aus der Umwelt können nicht, oder später wahrgenommen werden. Das kann schwerwiegende Folgen für das einzelne Tier, aber auch für die Population haben, wenn z.B. die Partnersuche durch Lärm behindert wird oder Feinde nicht rechtzeitig gehört werden.

Lange ging man davon aus, dass Tiergruppen wie z.B. Krebse, Tintenfische und Wasserschildkröten nicht durch Lärm beeinträchtigt werden. Aber Versuche haben gezeigt, dass Schall auch Auswirkungen auf diese Tiergruppen hat. So ließen sich Krebse von Lärm ablenken, fraßen weniger und wurden leichter von Räubern erlegt, Tintenfische reagierten auf plötzlichen Schall mit einer Tintenwolke und auch Schildkröten zeigten deutliche Reaktionen. Dabei bedeuten Flucht, Stress und Ablenkung für die Tiere erhöhten Energieaufwand.

Dr. Christina Müller-Blenkle ist Meeresbiologin und hat zu Auswirkungen von Baulärm und Betriebsschall von Offshorewindanlagen auf Fische geforscht. Zur Zeit arbeitet sie beim Julius Kühn-Institut in Berlin an akustischer Früherkennung von Vorratsschädlingen.

Neben relativ gleichmäßigen Lärmquellen wie Schiffen, gibt es auch impulsartige Schallquellen, wie Rammarbeiten für Offshore-Windparks oder seismische Schallkanonen, mit denen unterhalb des Meeresbodens nach Öl- und Gasvorkommen gesucht wird. Diese impulsartigen Schallquellen sind meist sehr laut und können zu Verletzungen und starkem Fluchtverhalten bei verschiedenen Tiergruppen führen. So wird z.B. davon ausgegangen, dass Schnabelwale bei seismischen Untersuchungen fluchtartig aus großen Wassertiefen auftauchen und dabei schwerwiegende, oft tödliche Verletzungen – vergleichbar mit denen der Taucherkrankheit beim Menschen – erleiden. Auch bei Fischen können die lauten Schallwellen zu Gewebeschäden und Tod führen.

Besonders Massenstrandungen von Walen haben die Diskussionen um Auswirkungen von Lärm auf Meerestiere ausgelöst. Zum Schutz von Meeressäugern wurde einiges getan und aktuelle Forschungsergebnisse liefern die Grundlage für Lärmgrenzwerte, Schutzmaßnahmen und technische Weiterentwicklungen zur weiteren Schallreduktion. Nicht berücksichtigt werden aber meist andere Tiergruppen, wie Fische und Wirbellose, die besonders durch tiefe Frequenzen beeinträchtigt werden. Hier fehlt noch die Lobby für die vielleicht weniger auffälligen und niedlichen Meeresbewohner, deren Probleme mit Lärm im Meer nicht auf den ersten Blick sichtbar sind.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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