Zum Wissenschaftsjahr 2018
Marine Biotechnologie – Angewandt für die Lebensmittelindustrie

Marine Biotechnologie – Angewandt für die Lebensmittelindustrie

Ein Expertenbeitrag von Dipl. Ing (FH) Robert Stieber

Marine Biotechnologie – Angewandt für die Lebensmittelindustrie

Ein Expertenbeitrag von Dipl. Ing. (FH) Robert Stieber, Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie Das Meer schmeckt! Es birgt oft bereits wenige Zentimeter unter seiner Oberfläche noch viele Geheimnisse. Immer wieder werden neue, bisher unbekannte Organismen und Substanzen entdeckt. Die Marine oder auch Blaue Biotechnologie bietet viele Techniken und Rohstoffe, welche in den verschiedensten Bereichen der Lebens- und Futtermittelindustrie nutzbringend Anwendung finden können. Um Stoffe marinen Ursprungs mit hohem Potential zur Verwendung in der Ernährungsbranche fachgerecht und effizient für die Lebens- und Futtermittelindustrie verfügbar zu machen, wurde 2012 in der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie (EMB) in Lübeck das Technikum für angewandte Lebensmittelforschung (TFAL) eingerichtet und in Betrieb genommen.

Dipl. Ing. (FH) Robert Stieber hat nach der Berufsausbildung zur Fachkraft für Lebensmittel-technologie im Fach Biotechnologie an der Hochschule Darmstadt studiert und seinen Ingenieurs-Abschluss zum Thema „Auswirkung einer geregelten Sauerstoffzufuhr auf das Aromaprofil eines Weizensauerteiges“ gemacht. Seit 2011 arbeitet er in der Fraunhofer EMB, wo er als zertifizierter HACCP-Teamleiter den Aufbau und Betrieb des Technikums für angewandte Lebensmittelforschung von Anfang an betreute und dieses nun erfolgreich leitet.

Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Suche und Identifikation von interessanten Stoffen mit entsprechenden Eigenschaften sowie die Entwicklung der zur Gewinnung dieser Zielsubstanzen benötigten Technologien. Ziel ist es zusätzlich, neue Formulierungen und Applikationsmöglichkeiten der gefundenen Rohstoffe zu entwickeln, um die gesamte Wertschöpfungskette bis zum fertigen Produkt hin abzudecken. Dies bedeutet, dass nicht nur ein Teil des Herstellungsprozesses betrachtet wird. Vielmehr soll von der Produktion (bzw. Gewinnung) des ursprünglichen Rohstoffes (Pflanze oder Tier) bis zum Endverbraucherprodukt jeder Schritt der Verarbeitung betrachtet und berücksichtigt werden. Stoffe, die im Focus der Forschung liegen, sind sogenannte Antioxidantien, welche als Pulver in Lebensmittel eingesetzt werden können und dort zum Beispiel gesunde Omega 3 Fettsäuren vor dem „ranzig werden“ beschützen. Diese Pulver / Extrakte können aus verschiedenen Makroalgen (Großalgen, die mit dem bloßen Auge zu erkennen sind. Ein bekannter Vertreter ist der Fucus vesiculosus, der Blasentang, den man vom Nordsee Urlaub kennt) gewonnen und als Lebensmittel Zutat verwendet werden. So kann man Lebensmittelzusatzstoffe im Lebensmittel vermeiden.

Meeresrauschen eine Limonade aus dem Meer

Die Trends der Lebensmittelindustrie sind in den letzten Jahren klar zu erkennen. Naturbelassene Rohstoffe, schonende Prozesse in der Verarbeitung, auf natürliche Weise Lebensmittel haltbar machen (in diesem Zusammenhang wird seitens der Industrie auch eine Verlängerung der Haltbarkeitsdauer erwartet) sind Faktoren, welche der Verbraucher von der Industrie und deren Produkten abfragt. Im Rahmen der Vorlaufforschung im Technikum wurde unter anderem ein schmackhaftes und kalorienreduziertes Erfrischungsgetränk unter Verwendung von verschiedenen Makroalgenarten entwickelt. Dabei wurden verschiedene Verfahren zur Naturstoffisolierung und Fermentation getestet, modifiziert und anschließend neu kombiniert.
Durch minimalen Einsatz von natürlichen Aromen und Säften sind bereits verschiedenste Prototypen entwickelt worden. Der nächste Schritt, die industrielle Herstellung, findet bei den Kooperationspartnern der Lebensmittelwirtschaft statt.

Was bringt die Zukunft?

Das Potential der marinen Ressourcen ist bei weitem noch nicht erschöpft. Das Interesse der Verbraucher an Lebensmittelzutaten mit Me(e)hrwert steigt stetig an. Der Verbraucher hat sich weiterentwickelt. Das Internet macht es ihm möglich, die Rezepte und Technologien der Lebensmittelindustrie zu hinterfragen. Er ist vom „einfachen Verbraucher“ der Produkte zu einem „Semi-Professional“ geworden, der neue, teils kritische Fragen aufwirft, aber auch neue Lösungen erwartet. Unsere Entwicklungen zeigen, dass es neue Wege, Möglichkeiten und Applikationen neuer Rohstoffe gibt, welche die aktuellen Problem- und Fragestellung lösen können.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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