Zum Wissenschaftsjahr 2018
Let it snow, let it snow, let it snow: Mikrobiologie und Meeresschnee

Let it snow, let it snow, let it snow: Mikrobiologie und Meeresschnee

Ein Expertenbeitrag von Dr. Astrid Gärdes

Let it snow, let it snow, let it snow: Mikrobiologie und Meeresschnee

Ein Expertenbeitrag von Dr. Astrid Gärdes, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

Nicht nur an Land schneit es: In vielen Regionen der Ozeane rieselt das ganze Jahr über organisches Material von der Wasseroberfläche in die Tiefen des Meeres. Dabei handelt es sich um Ausscheidungen oder Überreste von Meerespflanzen und -tieren, die teilweise in Form kleinster Partikel durch das Wasser wirbeln. Man spricht daher von „marinem Schnee“. Dieser Meeresschnee spielt eine wichtige Rolle bei Themen von großer gesellschaftlicher Relevanz. So trägt er unter anderem zur Speicherung von Kohlenstoff in Meeressedimenten bei und beeinflusst damit das Klimageschehen.

Seit 2012 leitet die Mikrobiologin Dr. Astrid Gärdes am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) die Nachwuchsgruppe „Tropische Marine Mikrobiologie“. Sie befasst sich mit den Veränderungen von Bakteriengemeinschaften in tropischen Küstenökosystemen und den Umweltfolgen von Aquakultur.

Der Ozean tauscht Kohlendioxid mit der Atmosphäre aus. Das in den oberen Wasserschichten gelöste atmosphärische Kohlendioxid (CO2) wird zum Teil in organische Kohlenstoffverbindungen umgewandelt. Zum Teil bindet das Phytoplankton, also verschiedene Algenarten, durch die Photosynthese das CO2. Die Algen werden wiederum von Fischen und anderen Meerestieren gefressen – so gelangt der Kohlenstoff in das Nahrungsnetz der Ozeane.

Sinken Gewebspartikel toter Organismen, also der „Meeresschnee“, in die Tiefen des Ozeans, so kann der darin gespeicherte Kohlenstoff dort erstmal für 100 bis 1.000 Jahre eingelagert werden. Dieser Abwärtsfluss von organischem Kohlenstoff aus den oberen Schichten des Ozeans wird als „Biologische Pumpe“ bezeichnet. Da dieser Kohlenstoff für lange Zeit dem klimawirksamen Kohlenstoffkreislauf entzogen ist, wird darüber diskutiert, ob dieser Effekt nicht künstlich verstärkt und so dem Treibhauseffekt entgegengewirkt werden könnte. Im Gespräch sind Maßnahmen wie die Düngung des Meeres, die das Algenwachstum anregen und dadurch der Atmosphäre mehr CO2 entziehen würde.

Stoffwechsel- und Abbauprodukte mariner Organismen bilden aber auch die Lebensgrundlage von Meeresbakterien, denen sie eine energiereiche Kost bieten. Häufig heften sich die Mikroorganismen daher an die „Schneeflocken“, und wie beim Schneeballeffekt können diese größer und schwerer werden. Das beeinflusst, ob die „Flocken“ mit ihrer Kohlenstofffracht in die Tiefe sinken und zur Bildung von Sediment beitragen oder ob sie wieder an die Meeresoberfläche gespült werden.

Dort kann der bakterienbeladene Meeresschnee von stärkeren Strömungen erfasst und in weit entfernte Meeresregionen verfrachtet werden. Da es sich bei den „Trittbrettfahrern“ um pathogene Mikroorganismen handeln kann, stellen solche „Flocken“ potentielle Krankheitserreger dar, die zum Beispiel in Korallenriffen Schaden anrichten können. Auch für die Menschen und ihre Gesundheit stellen sie eine große Gefahr dar, da sie von Fischen, Muscheln und anderen Meerestieren gefressen werden und so letztendlich auf unsere Teller gelangen können. Aquakulturanlagen mit offenen Netzgehegen stellen eine gefährliche Quelle für pathogene Keime und Schadstoffe dar, die sich im Meeresschnee wiederfinden lassen. Solche Fischzuchtanlagen findet man an vielen Küsten vor allem in asiatischen Ländern.

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