Zum Wissenschaftsjahr 2018
Ozeanische Fernverbindungen

Ozeanische Fernverbindungen

Ein Expertenbeitrag von Dr. Arnaud Czaja

Ozeanische Fernverbindungen

Ein Expertenbeitrag von Dr. Arnaud Czaja, Imperial College London Die Meere sind meine Leidenschaft, sie haben mich schon immer fasziniert. Es interessiert mich sehr, in welchem Ausmaß das Wetter oder das Klima um mich herum von Vorgängen beeinflusst wird, die sich in den Ozeanen abspielen – vor allem in den Tiefen oder an der Oberfläche von Ozeanen, die sehr weit von meinem Wohnort London entfernt sind.

Dr. Arnaud Czaja gehört seit 2005 dem Fachbereich Physik des Imperial College London an. Nach seinem Studium an der Universität Paris VI und seiner Promotion forschte er am Massachusetts Institute of Technology. Sein besonderes Interesse gilt den Ozeanen.

Als Physiker habe ich mich in diesem Zusammenhang intensiv mit der Wärmeübertragung befasst. Der größte Teil der Sonnenenergie wird von den tropischen Ozeanen absorbiert. Die „Ozean-Atmosphäre-Maschine“ übernimmt dann die Aufgabe, diese Wärme in die höheren Breitengrade zu transportieren – ansonsten würden die Tropen sich immer weiter aufheizen, während sich die Pole abkühlen. Außerdem wird Energie als Infrarotemissionen zurück in den Weltraum gestrahlt – sonst würde die Erde sich immer weiter erwärmen. Daher muss die Wärme im Ozean horizontal von den niedrigen in die höheren Breitengrade transportiert und dann in die Atmosphäre abgegeben werden.

Doch der Ozean hält für mich immer neue Überraschungen bereit. Jüngere Forschungen haben ergeben, dass das eben beschriebene Grundmuster überlagert wird von einem Wärmetransport im Ozean von der südlichen zur nördlichen Hemisphäre. Dieser hat seinen Ursprung im Antarktischen Zirkumpolarstrom (kurz: ACC), einem mächtigen System von Meeresströmungen rings um die Antarktis. Im Innern wird dieser Strom mit einer durchschnittlichen Intensität von ca. 30 W/m2 (Watt pro Quadratmeter) erwärmt, was sich, auf die gesamte Ausdehnung des ACC gerechnet, auf 0,5 PW (Petawatt; 1 Petawatt sind 1 Milliarde Watt) summiert (siehe Abbildung). Dies entspricht, um es einmal in Relation zu setzen, rund der Hälfte der vom Golfstrom beförderten Wärme (1PW = 1015 W), ist also eine ganze Menge.

Diese Erwärmung findet in oberflächennahen Schichten des Meeres statt, die an der Polseite des ACC aufsteigen und anschließend an der Meeresoberfläche nach Norden strömen. Angetrieben werden sie durch die starken Winde über dem Südpolarmeer. Insgesamt betrachtet holt die südliche „Ozean-Atmosphäre-Maschine“ auf diese Weise kaltes Wasser von der nördlichen Hemisphäre, erwärmt es über dem ACC und befördert wärmeres Wasser zurück in den Norden.

Ein Teil der Wärme, die heftige Nordatlantik-Stürme antreibt und die sich auf London zubewegen, kommt also aus den Breitengraden des kalten Antarktischen Zirkumpolarstroms. Wer hätte das gedacht!

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