Zum Wissenschaftsjahr 2018
Schalen von Meerestieren: Heute Abfall – Morgen Rohstoff?

Schalen von Meerestieren: Heute Abfall – Morgen Rohstoff?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Michael Hofer

Schalen von Meerestieren: Heute Abfall – Morgen Rohstoff?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Michael Hofer, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

Krabben, Krebse und Garnelen sind geschätzte Leckerbissen und kaum noch von unseren Tellern wegzudenken. Dabei fallen in der EU jährlich ca. 250.000 Tonnen und weltweit sogar mehr als 6 Mio. Tonnen Schalenabfälle bei der Verarbeitung von Krustentieren an. Diese Abfälle müssen von der Fischereiindustrie kostspielig entsorgt werden. Allerdings könnten sie in Zukunft auch als neue Einnahmequelle genutzt werden.

Die Schalen der Krustentiere bestehen nämlich zu einem beträchtlichen Teil aus Chitin – nach Cellulose das zweithäufigste Biopolymer auf der Erde. Chitin hat das Potenzial, an Stelle fossiler, begrenzter Ressourcen in unterschiedlichen Produkten eingesetzt zu werden und stellt somit eine nachwachsende und nachhaltige Rohstoffquelle für die produzierende Industrie dar. Insbesondere in der Medizin und der pharmazeutischen Industrie wird Chitosan, ein Derivat des Chitins (d.h. mit einem Prozessschritt verarbeitetes Chitin, das andere Eigenschaften aufweist), bereits in Wundauflagen oder zur Verkapselung von Wirkstoffen eingesetzt. Um Chitin effizient nutzen zu können, muss es jedoch zuerst von den anderen Schalenbestandteilen abgetrennt und anschließend in eine nutzbare Form umgewandelt werden. Vor allem im asiatischen Raum werden bereits kommerzielle Verfahren eingesetzt, um Chitosan zu gewinnen. Hierbei besteht allerdings das Problem, dass diese Verfahren nur unter Einsatz großer Mengen umweltgefährdender Chemikalien durchgeführt werden können und gleichzeitig auch noch große Mengen an nicht verwertbaren Abfallstoffen anfallen. Außerdem liefern diese Verfahren nur genau ein Produkt: Chitosan. Um das gesamte Potenzial von Chitin vollständig ausschöpfen zu können, sind nachhaltige Verfahren zur Reinigung und Prozessierung dieses Rohstoffes notwendig.

Dr. Michael Hofer ist stellvertretender Leiter des Institutsteils Straubing des Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik. Er befasst sich mit der katalytischen Umsetzung nachwachsender Rohstoffe.

Verschiedene Start-up-Unternehmen und Forschungsverbünde haben in den letzten Jahren neue nachhaltige, biotechnologische Verfahren entwickelt, um Chitin basierte Produkte auf den Markt zu bringen. Mit Hilfe mikrobieller und enzymatischer Verfahren ist es dabei gelungen, „grüne“ Verfahren zur Nutzbarmachung dieser Rohstoffquelle zu entwickeln. Durch den Abbau des natürlichen Polymers in kleinere Bruchstücke konnten Anwendungen im Bereich des Pflanzenschutzes, zur Wasseraufbereitung, in der Textil- und Kosmetikindustrie erschlossen werden. Der komplette Abbau des Biopolymers in seine Grundbausteine lieferte dabei geeignete Ausgangsverbindungen für die Entwicklung neuer biobasierter Polymere, Tenside und Öle für den breiten Massenmarkt. Im Rahmen eines vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB geleiteten europaweiten Projektes wurde eine Chitin-Bioraffinerie entwickelt, in der auch alle anfallenden Nebenprodukte verwertet werden konnten. Diese Entwicklungen zeigen, dass eine vollständige Verwertung des Rohstoffes möglich ist, und dass Schalenabfälle von Krustentieren als nachwachsender Rohstoff das Potenzial haben, begrenzte fossile Rohstoffe zu ersetzen. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit diese Entwicklungen sich bis zu einer Kommerzialisierung durchsetzen können.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

Mehr zum Themenfeld: