Zum Wissenschaftsjahr 2018
So beeinträchtigt Quecksilber die Gesundheit von Fischen

So beeinträchtigt Quecksilber die Gesundheit von Fischen

Ein Expertenbeitrag von Dr. Thomas Lang

So beeinträchtigt Quecksilber die Gesundheit von Fischen

Ein Expertenbeitrag von Dr. Thomas Lang, Thünen-Institut für Fischereiökologie

Quecksilber ist ein natürlich vorkommendes Metall, dessen unterschiedliche chemische Formen zum Teil gravierende toxische Eigenschaften besitzen. Aufgrund menschlicher Aktivitäten (z. B. Bergbau, Verwendung in der Chlor-Alkali- und Nichteisen-Industrie, als Amalgam in der Zahnmedizin, zur Goldgewinnung und durch die Verbrennung von Kohle und Treibstoffen) hat sich Quecksilber insbesondere seit Beginn des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert in der Umwelt angereichert. Deshalb wird es als Schadstoff mit globalem Risikopotenzial für die Gesundheit von Ökosystemen und den Menschen angesehen (Driscoll et al. 2013, UNEP 2013).

Man muss davon ausgehen, dass sich die Konzentration von Quecksilber in der Oberflächenschicht der Ozeane, in bis zu 100 Metern Tiefe, im vergangenen Jahrhundert weltweit verdoppelt hat – hauptsächlich aufgrund atmosphärischer Einträge. Quecksilber reichert sich in Meeresorganismen über die Nahrungskette an. Die Konzentrationen in Meeresfischen, die weit oben in der Nahrungskette stehen, sind nach wie vor hoch und übersteigen zum Teil die ökologischen Grenzwerte der EU für Küsten- und Binnengewässer, oberhalb derer nachteilige Effekte auf Fische erwartet werden.

Dr. Thomas Lang ist stellvertretender Leiter des Thünen-Instituts für Fischereiökologie und dort Sprecher des Arbeitsbereichs Meeresumwelt.

Plattfisch in der Nordsee untersucht

Nur bei einigen großen und langlebigen Fischarten werden teilweise sehr hohe Konzentrationen erreicht. Diese liegen nahe an den von der EU festgelegten Grenzwerten für den menschlichen Verzehr oder überschreiten sie sogar (z. B. Haiarten, Schwertfische, Thunfische). Bislang war allerdings unklar, ob die in Wildfischen nachweisbaren Konzentrationen von Quecksilber ihren Gesundheitszustand beeinträchtigen.

Im Rahmen des internationalen ICON-Projekts (Integrated Assessment of the Impact of Contaminants on the North Sea Ecosystem) untersuchten deshalb Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Fischereiökologie zusammen mit dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und der Universität Bremen die Verhältnisse am Beispiel der Kliesche (Limanda limanda), einem verbreiteten Plattfisch in der Nordsee und angrenzenden Seegebieten. Welche Quecksilbergehalte finden sich in der Muskulatur? Und lässt sich eine Korrelation mit dem Auftreten von Krankheiten beobachten? Dazu wurden sieben Untersuchungsgebiete beprobt, die in der Nordsee, der westlichen Ostsee und vor Island lagen (vgl. Lang et al. 2017).

Je mehr Methylquecksilber, desto schlechter die Gesundheit

Besonderes Augenmerk bei der chemischen Analyse galt der Bestimmung von Methylquecksilber, der organischen Form des Quecksilbers: Es reichert sich in der Muskulatur von Fischen bis zu Werten von 95 Prozent des Gesamtquecksilbers an und zählt zu den giftigsten Schwermetallverbindungen in der marinen Umwelt. Aus den Daten zum Vorkommen von neun häufigen Krankheiten/Parasitosen, ihren Schweregraden, ihren Effekten auf die betroffenen Fische sowie Korrekturfaktoren für Effekte von Körperlänge, Geschlecht und Fangsaison auf das Krankheitsrisiko wurde als Maß für den Gesundheitszustand der Klieschen ein gewichteter Fischkrankheitsindex (FDI = Fish Disease Index) berechnet. Dieser Index betrachtet alle erfassten Veränderungen gemeinsam und ermöglicht so einen überregionalen Vergleich.

Die Studie zeigte sowohl bei den Konzentrationen von Methylquecksilber als auch beim Gesundheitszustand der Fische statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungsgebieten. Die mittleren Gehalte an Methylquecksilber schwankten in den Gebieten zwischen 0,03 und 0,10 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (mg/kg) und lagen damit oberhalb der ökologischen Grenzwerte der EU (0,02 mg/kg), aber weit unterhalb der EU-Grenzwerte für den Verzehr (0,5 mg/kg bezogen auf Gesamtquecksilber). Interessanterweise ergaben sich dabei übereinstimmende regionale Muster: Je höher in den Untersuchungsgebieten der mittlere Gehalt an Methylquecksilber in den Fischen war, desto schlechter war ihr Gesundheitszustand (= erhöhte FDI-Werte).

Setzt die Gas- und Ölförderung Quecksilber frei?

Die höchsten Konzentrationen an Methylquecksilber und gleichzeitig die höchsten FDI-Werte wurden nahe Gebieten mit langjähriger Gas- und Ölförderung in der zentralen Nordsee gefunden, die niedrigsten Werte in der Ostsee und vor Island. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass durch die Offshore-Förderung Quecksilber in die Umwelt gelangt, sich überwiegend als Methylquecksilber in den Fischen anreichert und zu gesundheitlichen Schäden der Fische führen kann.

Die Resultate der Studie sind relevant für die Bewertung von Quecksilber als Umweltschadstoff im Rahmen des Meeresschutzes sowie für die Diskussion über die Festlegung neuer, realistischer Grenzwerte für ökologische Effekte. Da befürchtet wird, dass die globalen Quecksilbergehalte im Zuge des Klimawandels zunehmen könnten, muss die Überwachung dieses Schadstoffs und seiner Auswirkungen auf die Meeresökosysteme fortgesetzt werden.

Bitte konsumieren Sie möglichst nur nachhaltig gefischte Bestände von Fisch und Meeresfrüchten. Informieren Sie sich dazu beispielsweise in den einschlägigen Fischratgebern.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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