Zum Wissenschaftsjahr 2018
Tsunami – eine beherrschbare Gefahr?

Tsunami – eine beherrschbare Gefahr?

Ein Expertenbeitrag von Dr.-Ing. Agnieszka Strusińska-Correia

Tsunami – eine beherrschbare Gefahr?

Ein Expertenbeitrag von Dr.–Ing. Agnieszka Strusińska–Correia, TU Braunschweig – Leichtweiß–Institut für Wasserbau

Tsunamis gehören aufgrund ihrer Entstehungsmechanismen zu den am schwersten vorhersagbaren Naturgewalten. Gleichzeitig sind sie jedoch auch mit einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit verbunden. Hinsichtlich ihrer Intensität sind Tsunamis kaum zu kontrollieren und ihre Auswirkungen sind schwer abzuschwächen. Daher stellt die Auswahl von geeigneten Tsunamischutzmaßnahmen immer einen Kompromiss zwischen der Wirtschaftlichkeit und dem Grad des Gefährdungslevels dar. Potentielle Lösungen müssen an die jeweiligen geografischen und sozialen Bedingungen angepasst werden.

Tsunamischutzkonzepte umfassen Küstenschutzmaßnahmen (strukturelle und nichtstrukturelle Barrieren wie Ufermauern, Deiche, Wellenbrecher und Küstenschutzwälder), den Katastrophenschutz, der auf Gewährleistung von schneller Warnung und effektiver Evakuierung der durch Tsunami gefährdeten Gemeinschaften zielt und die Landnutzungsplanung, die die Art der Landnutzung und Stadtgestaltungskonzepte in Tsunamisicheren und –gefährdeten Gebieten bestimmt.

Trotz signifikanter Fortschritte im Bereich der Tsunamiforschung bleibt weiterhin der Schutz von Mensch, Eigentum und Infrastruktur vor Tsunamis, deren Quellen sich in unmittelbarer Küstennähe befinden, eine große Herausforderung. Der große Tsunami aus dem Jahre 2011 zeigt, dass dieses Problem auch ein Land wie Japan betrifft, das hinsichtlich ihrer Tsunaminotfallvorsorge bis dahin als Vorbild galt.

Dr.-Ing. Agnieszka Strusińska-Correia studierte Bauingenieurwesen an der Universität in Stettin. Nach dem Abschluss ihres Studiums im Jahr 2004 begann sie ihre Promotion am Leichtweiß-Institut für Wasserbau, Abt. Hydromechanik und Küsteningenieurwesen an der Technischen Universität Braunschweig. Ihre Promotion zum Thema "Hydraulische Wirksamkeit von undurchlässigen Unterwasserstrukturen für Tsunamidämpfung" schloss sie 2010 ab. Seitdem arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an Forschungsprojekten mit dem Schwerpunkt Tsunamischutzmaßnahmen und –phänomen.

Um sich zukünftig vor Katastrophen dieser Art schützen zu können, führte Japan neue, weltweit kontrovers diskutierte, Tsunamistrategien ein. Insbesondere der Bau massiver Barrieren, wie beispielweise eines fast 300 Kilometer langen Betondeiches mit einer Höhe zwischen 5 und 15 Metern (bezogen auf den Pegelstand in Tokyo), ist hinsichtlich der hohen Baukosten, des erschwerten Zugangs zum Meer und der unbekannten Auswirkungen auf die Umwelt umstritten.

Viele der durch den Tsunami von 2011 betroffenen Japaner hinterfragten die neuen Konzepte kritisch und forderten erfolglos ihre Verifizierung. Solche Unstimmigkeiten zwischen den Behörden und der Bevölkerung stellen ein Beispiel dafür dar, wie unterschiedlich die Tsunamigefahr durch die verschiedenen Empfängergruppen wahrgenommen werden kann. Betrachtet man ausschließlich den hohen Grad der Tsunamigefährdung, wäre die Einführung solch extremer Lösungen gerechtfertigt. Andererseits gibt es Menschen mit einer hohen Tsunamirisikotoleranz, die mit der Tsunamigefährdung ohne schützende Barrieren leben wollen. Tsunamis lassen sich durch keine Barrieren, unabhängig von Höhe und Stabilität, vollständig aufhalten. Deshalb erscheinen eine Verstärkung des Tsunamirisikobewusstseins und der Ausbau der Katastrophenvorsorge in den gefährdeten Gemeinden als die einzigen vernünftigen Schutzstrategien.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 - Meere und Ozeane.

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