Zum Wissenschaftsjahr 2018
Weiße Weihnachten unter Wasser

Weiße Weihnachten unter Wasser

Ein Expertenbeitrag von Dr. Sebastian Ferse

Weiße Weihnachten unter Wasser

Ein Expertenbeitrag von Dr. Sebastian Ferse, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen (ZMT)

Während sich manch einer hierzulande eine weißere Weihnacht gewünscht hätte, hat sich in anderen Weltgegenden eine ganz andere Art der weißen Pracht in den vergangenen Monaten zu einem großen Problem entwickelt: Rund um den Globus bleichen zurzeit Korallenriffe aus. Das sorgt für gespenstisch weiße Landschaften unter Wasser. Für die Korallen und die ganze Lebensgemeinschaft eines Riffes ist eine solche Bleiche häufig tödlich.

Der Korallenriffökologe Dr. Sebastian Ferse leitet seit 2013 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Nutzung, Resilienz und Diversität von Korallenriffen“ am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen. Er forscht zu Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in Korallenriffen und befasst sich unter anderem mit Ökosystemfunktionen im Korallenriff und mit Riffrestauration.

Der globale Temperaturanstieg und das zuletzt besonders starke El Niño-Phänomen, einer periodischen Klimaschwankung bei der sich das Meerwasser vor allem im Pazifik deutlich erwärmt, haben vielerorts die Meere ungewöhnlich stark aufgeheizt. Dadurch wird die empfindliche Symbiose der Korallentiere und der Algenzellen, die in ihrem Gewebe leben und Photosynthese betreiben, gestört. Als Folge stoßen die Korallen ihre „Untermieter“ aus, zurück bleibt durchsichtiges Gewebe. Hält dieser Zustand über Wochen an, verhungern die Korallen.

Besonders das Große Barriereriff (Great Barrier Reef) vor Australien erregte hierbei Aufmerksamkeit: Über 90 Prozent des Riffs waren von der Bleiche betroffen, in einigen Bereichen sind bis zu zwei Drittel der Korallen abgestorben. Doch auch andere Regionen sind betroffen: In den vergangenen Wochen erreichten die Schäden am größten Riff Japans ähnliche Ausmaße.

Während stressbedingtes Ausbleichen von Korallen ein natürliches Phänomen ist, welches bereits vor rund hundert Jahren beschrieben wurde, trat eine Bleiche auf globaler Ebene zum ersten Mal Anfang der 1980er Jahre auf. Die zweite globale Bleiche fand 1997/98 statt, und die vergangenen zwei Jahre stellen nun das dritte, bisher stärkste globale Ausbleichen dar.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem rapiden Anstieg der globalen Temperatur, die der menschliche Ausstoß von Treibhausgasen verursacht. Im Zeichen des Treibhauseffekts werden die Abstände zwischen einzelnen Korallenbleichen immer kürzer. Zeit zur Regeneration bleibt den Riffen so kaum. Unter optimalen Bedingungen benötigen Riffe einige Jahrzehnte, um sich von den Schäden einer starken Bleiche zu erholen. Modellberechnungen zufolge werden jedoch bei den gegenwärtigen Emissionsraten im Jahre 2055 schon 90 Prozent aller Riffe jährlich von einer Bleiche betroffen sein.

Diese Aussichten sind jedoch kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen – vielmehr gilt es, nun rigorose Anstrengungen für den Schutz dieses einzigartigen Ökosystems zu ergreifen. An erster Stelle stehen hier Maßnahmen zur Einhaltung der im Pariser Vertrag vereinbarten Klimaschutzziele. Vielerorts sind Riffe allerdings auch durch lokale Faktoren wie Überfischung, hohe Nährstoffeinträge ins Meer und Habitat-Zerstörung, wie Küstenbebauung oder Dynamitfischerei, beeinträchtigt. Wenn diese Faktoren erfolgreich angegangen werden, kann ein Teil der Riffe die Phase des rapiden Klimawandels überstehen und als Ausgangspunkt für die Wiederbesiedlung benachbarter Regionen dienen.

Diese Maßnahmen sind mit hohen Kosten verbunden. Allerdings ist der gesellschaftliche Nutzen intakter Korallenriffe immens. Er wird auf acht Billionen Euro jährlich geschätzt. Denn tropische Riffe bieten mehr „Dienstleistungen“ als jedes andere Ökosystem auf unserem Planeten. Sie schützen unsere Küsten und bieten vielfältige Nahrungsressourcen – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

Mehr zum Themenfeld: