Zum Wissenschaftsjahr 2018
Wieso der arktische Ozean so süß und eisig ist und was das mit dem Klima zu tun hat

Wieso der arktische Ozean so süß und eisig ist und was das mit dem Klima zu tun hat

Ein Expertenbeitrag von Dr. Benjamin Rabe

Wieso der arktische Ozean so süß und eisig ist und was das mit dem Klima zu tun hat

Ein Expertenbeitrag von Dr. Benjamin Rabe, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Der arktische Ozean ist süß, insbesondere nahe der Oberfläche. Das liegt daran, dass 11 Prozent des weltweiten Kontinentalabflusses in die Arktis gehen; große Flüsse, wie der Ob oder die Lena in Russland. Dazu ist es noch sehr kalt: In den Wintermonaten ist es in der Arktis dunkel, kein Sonnenlicht gelangt hierhin. Daher ist fast die gesamte Arktis zu dieser Jahreszeit mit Eis bedeckt. Im Sommer allerdings scheint die Sonne den ganzen Tag und die Nacht hindurch. Dann schmilzt ein Teil der Eisdecke wieder, was sich sowohl an Wassertümpeln auf dem driftenden Meereis sehen lässt, als auch ganzen Gebieten, die im Sommer eisfrei sind.

Noch in den 1990er Jahren war ein großer Teil des arktischen Ozeans, insbesondere der tiefe Bereich nördlich der kontinentalen Schelfgebiete, ganzjährig mit Eis bedeckt. Die Eisausdehnung im Spätsommer ist aber in den letzten 20 Jahren stetig zurückgegangen – und das schneller als es Modellsimulationen des globalen Klimasystems vorhergesagt haben. Über die genauen Ursachen und Zusammenhänge zwischen globaler Erwärmung, Meereisrückgang und Süßwasserflüssen debattiert die Wissenschaft noch. Fest steht aber, dass die Arktis sich schneller erwärmt als der Rest der Welt.

Nirgendwo sonst zeigt sich der vom Menschen gemachte Klimawandel so stark wie in der Arktis. Das liegt an einem Phänomen, das sich arktische Verstärkung nennt. Hier spielen atmosphärische Windströmungen von niederen Breiten, aber auch das Meereis, ein Rolle: Wenn die Luft sich erwärmt, mehr Meereis schmilzt und damit mehr offene Wasserfläche geschaffen wird, ändert sich die Reflektion von einfallendem Sonnenlicht an der Oberfläche. Was vorher weiß war und viel reflektiert hat, ist nun dunkler und absorbiert mehr Sonnenlicht. Das bedeutet, dass hier mehr Wärme aufgenommen wird.

Dr. Benjamin Rabe ist Ozeanograph und Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der Untersuchung von Prozessen im oberen Arktischen Ozean.

Der Rückgang des Meereises hat in den letzten 20 Jahren zu einer Versüßung des arktischen Ozeans beigetragen. Zwar gibt es auch noch andere Gründe, wie der Einstrom aus dem Pazifik oder erhöhter Eintrag aus Flüssen. Fest steht aber, dass dieses Süßwasserreservoir potentiell auch in den Nordatlantik fließen kann. Die Auswirkungen sind umstritten. In der Vergangenheit gab es schon Zeiten höheren oder geringeren Süßwasserausstroms aus der Arktis in den Nordatlantik. Der potentielle Effekt lässt sich in geologischen Untersuchungen wiederfinden. Hier lässt sich vor ca. 14.500 Jahren eine starke Abkühlung in Europa feststellen. Auslöser war ein hoher Eintrag an Süßwasser in den Nordatlantik, auch wenn der Ursprung dieses Eintrags noch debattiert wird. In Teilen des Nordatlantiks wird Wasser durch Abkühlung an der Oberfläche in die Tiefe gemischt, als Teil einer globalen Umwälzbewegung. Durch das zusätzliche Süßwasser wurde der obere Ozean in dieser Region aber weniger salzig und damit weniger schwer als vorher. Die saisonale Abkühlung reichte nicht mehr aus, um das oberflächennahe Wasser, wie vorher in die Tiefe zu mischen. Das verlangsamte die Umwälzbewegung regional und verhinderte einen Großteil des warmen Wasserstromes aus dem Süden in den Nordatlantik, etwa dem Golfstrom. Es brauchte einige Jahrhunderte bis die Nordhemisphäre wieder wärmer wurde.

Wir werden die kommenden Jahre weiterforschen müssen, um zu sehen, ob ein erhöhter Süßwassereintrag in den Nordatlantik stattfinden und wann das Meereis sich im Sommer fast gänzlich aus der Arktis zurückziehen wird. Um dies zu tun, werden wir weiter die Arktis im globalen Zusammenhang mit Computern simulieren, mit Schiffen in der Arktis messen und autonome Beobachtungssysteme am Meeresboden, in der Wassersäule und im Meereis ausbringen.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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