Zum Wissenschaftsjahr 2018
Per Schiffsexpedition Nadeln im Heuhaufen entdecken

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Direkt von Bord – ein Expeditionsblog des Forschungsschiffs SONNE

Per Schiffsexpedition Nadeln im Heuhaufen entdecken

Der erste Expeditionsblog-Beitrag der SO259

Von Dr. Ulrich Schwarz-Schampera (Arbeitsbereichsleiter für Lagerstätten und ihren Herkunftsnachweis, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) und Bettina Landsmann (Diplom-Geologin, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe)

Tief hängen die grauen Wolken im Hafen von Colombo, Sri Lanka. Die Mittagsluft ist feucht und ölgeschwängert. Das Thermometer zeigt 30 Grad im Schatten an. Wer aus dem heruntergekühlten Hangar des Forschungsschiffes „SONNE“ auf das Arbeitsdeck tritt, prallt gegen eine heiße, unsichtbare Wand. Es ist der frühe Nachmittag des 24. August 2017. Das Schiff liegt fertig beladen am Kai. Gespannte und zugleich zufriedene Forscher-Gesichter blicken auf den diesigen Horizont. In Kürze betritt der Lotse das Schiff. Die Leinen werden gelöst und das Schiff sticht in See.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist planmäßig zu ihrer 50tägigen Schiffsausfahrt über den Indischen Ozean gestartet. An Bord sind 37 Forscherinnen und Forschern. Ziel dieser bereits vierten Expedition in die Meeresregion ist es, weitere Erzvorkommen am Grund der Tiefsee zu entdecken. Metalle wie Kupfer, Zink, Blei, aber auch Gold, Silber und wichtige Spurenmetalle liegen dort verborgen. Sollten diese begehrten Rohstoffe eines Tages knapp werden, könnten wir oder auch unsere Nachkommen sie dort abbauen – umweltverträglich versteht sich.

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Die gesuchten Metalle werden unter heißen Quellen am Meeresboden angereichert, den sogenannten „Schwarzen Rauchern“. Zu finden sind sie entlang der rund 60.000 Kilometer langen untermeerischen Spreizungszonen, den mittelozeanischen Rücken. So auch im Indischen Ozean. Entlang dieser Zonen tritt kontinuierlich Lava aus. Dadurch entsteht neuer Ozeanboden. Sickert Meerwasser über Spalten in das heiße vulkanische Gestein, erwärmt es sich auf bis zu 500 Grad Celsius.

Das erhitze Meerwasser laugt die Metalle aus dem Gestein und führt sie gelöst mit. Steigt diese Lösung wieder auf, tritt sie als bis zu 400 Grad Celsius heiße schwarze Fontäne, den sog. „Schwarzen Rauchern“, am Meeresboden aus. Beim Kontakt mit dem nur 2 Grad Celsius kaltem Meereswasser kühlt die Lösung schlagartig ab, dabei werden die gelösten Metalle als Mineral fixiert. Um die Austrittsstelle bildet sich ein säulenförmiger Erzschornstein. Er kann mehrere Zentimeter pro Tag wachsen. Der Schornstein sitzt einem Erzhügel auf und markiert gewissermaßen das Erzvorkommen im Untergrund. Früher oder später erlischt die heiße Quelle. Der Erzschornstein wird inaktiv.

Auf diese inaktiven Schlote hat es die BGR abgesehen. Die gesuchten Erzhügel unter den Schloten haben einen Durchmesser von durchschnittlich 150 Metern. Das entspricht ungefähr der Größe eines Fußballfeldes. „Die Herausforderung für uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besteht darin, die Schlote von der Wasseroberfläche aus 4.000 Meter Höhe zu entdecken. Und das über ein Gebiet, das 70 Kilometer breit ist und sich über 1000 Kilometer Länge erstreckt, also von Flensburg bis Berchtesgaden reicht“, betont Geologe und Fahrtleiter Dr. Ulrich-Schwarz-Schampera. „Das gleicht der Suche nach Nadeln im Heuhaufen“. Keine leichte Aufgabe. Zudem betreten die Forscherinnen und Forscher mit den Arbeiten in diesem wenig untersuchten Teil des Indischen Ozeans wissenschaftliches Neuland. Noch sind es ‚weiße Flecken‘ in der Tiefsee. „Aber unsere bisherigen Untersuchungen in den Nachbargebieten lassen darauf schließen, dass wir hier tatsächlich Erzablagerungen finden werden“, ist sich Ulrich Schwarz-Schampera sicher.