Zum Wissenschaftsjahr 2018
„Uns hat überrascht, dass doch sehr viel Müll gefunden wurde“

„Uns hat überrascht, dass doch sehr viel Müll gefunden wurde“

Interview mit dem Wissenschaftsteam der Kieler Forschungswerkstatt

„Uns hat überrascht, dass doch sehr viel Müll gefunden wurde“

Ein Team der Kieler Forschungswerkstatt wertet zurzeit die 376 gesammelten Datensätze der Schulen und Organisationen aus, die im Zuge der Aktion „Plastikpiraten“ einen großen Teil der Flussufer in Deutschland von Plastik befreit haben. Jetzt liegt dazu ein erstes Zwischenergebnis vor. Im Interview erklärt das wissenschaftliche Team der Kieler Forschungswerkstatt, wieso Mikroplastik so gefährlich ist und was aktiv getan werden kann, um Plastikmüll bereits im Alltag zu vermeiden.

Wieso sind Mikro- und Makroplastik für Lebewesen, Meere und Ozeane so gefährlich?

Viele Meeresbewohner verfangen sich im Plastikmüll oder verwechseln ihn mit ihrer Nahrung. Auch tot aufgefundene Seevögel haben oft Plastik im Magen. Neben Fischen nehmen auch kleinere Tiere weiter unten im Nahrungsnetz, wie zum Beispiel Muscheln und Krebstiere, Mikroplastik auf. Bei der Herstellung werden dem Plastik außerdem Chemikalien beigesetzt und auf dem Weg ins Meer nimmt das Mikroplastik weitere Giftstoffe auf. Die können sich dann in Meereslebewesen anreichern und finden durch den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten den Weg in unseren Körper.


Die „Plastikpiraten“ sind eine Citizen-Science-Aktion, also ein Projekt, bei dem Wissenschaft mit Bürgerinnen und Bürgern Hand in Hand arbeitet. Was sind Chancen und Herausforderungen, wenn man wissenschaftliche Laien in Forschungsprozesse einbindet?

Bei Citizen-Science-Projekten machen die Teilnehmenden selber Wissenschaft, erleben, wie sie funktioniert und tauchen in ein aktuelles Forschungsthema ein. Und es werden wertvolle Daten erhoben. Bei den „Plastikpiraten“ haben wir eine speziell für Schülerinnen und Schüler angepasste Methode entwickelt und auch Fotos und Mikroplastikproben angefordert. Diese Dinge helfen uns, die übermittelten Daten zu überprüfen.


Warum richtet sich das Projekt gezielt an Jugendliche und nicht auch an Erwachsene?

Ein großes Ziel bei diesem Projekt ist die Sensibilisierung für das Problem von Plastikmüll im Meer. Dadurch erhoffen wir uns einen bewussten Umgang mit Konsumgütern aus Plastik. Kinder und Jugendliche sind ja oft diejenigen, die neue Ideen und Gedanken in die Familien bringen und Eltern und Geschwister zum Einsparen von Plastikprodukten aktivieren können. Außerdem sind Jugendliche oft leichter zu begeistern als Erwachsene.

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Welche zentralen Erkenntnisse hat die Auswertung der Datensätze durch die Kieler Forschungswerkstatt ergeben? Gibt es etwas, das Sie überrascht hat?

Uns hat überrascht, dass doch sehr viel Müll gefunden wurde. Flussufer in Deutschland sehen zunächst einmal relativ sauber aus und werden während des Sommers auch gereinigt. Auch im Fluss hat etwa jede zweite Gruppe Mikroplastik in ihrem Netz gefunden. Das ist ein hoher Anteil, wenn man berücksichtigt, dass die eingesetzten Netze nur Mikroplastik auffangen können, das größer als einen Millimeter ist. Also treibt wahrscheinlich noch sehr viel mehr Mikro- und Nanoplastik in Richtung Meer.


An welchem Fluss wurde besonders viel Müll gefunden und was bedeutet das für die Meere und Ozeane?

Die Daten von 2016 zeigen, dass am meisten Müll an und im Flusssystem Rhein gefunden wurde. Das überrascht zunächst nicht, da am Rhein und seinen Nebenflüssen viele Menschen wohnen und auch Industrie vorkommt. Aber auch an und in anderen großen Flusssystemen, z. B. der Elbe, Weser oder Donau, wurden Müll und Mikroplastik gefunden. Deutsche Flüsse, und deshalb letztendlich wir alle, tragen also ebenfalls zur Meeresverschmutzung durch Plastikmüll bei.


Die Meere und Ozeane vor einer Verschmutzung zu bewahren, liegt in unserer Verantwortung. Was können wir im Alltag konkret tun, um einen Beitrag zu leisten?

Zum Beispiel auf Verpackungsmaterial so weit wie möglich verzichten. Baumwolltasche mitnehmen statt immer wieder eine Plastiktüte zu kaufen. Mehrweg statt Einweg, Thermobecher statt Pappbecher für den Coffee to go. Obst und Gemüse lassen sich sowohl im Discounter als auch auf dem Markt meist unverpackt kaufen oder zumindest ohne zusätzliche Plastiktüte mitnehmen. Und bei Kosmetikartikeln darauf achten, dass sich darin kein Mikroplastik befindet. Die Inhaltsstoffe Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET) oder Acrylates Copolymer (AC) deuten beispielsweise darauf hin, dass Plastik enthalten ist.

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