Gemeinsam den Krebs besiegen



Blick in eine Kinderstation Foto: Werner Krüper

„Ihr Kind hat Krebs“ – dieser Befund ist für Betroffene ein Schock. Zwar sind der Gesundheitsforschung bei Diagnose und Therapie umfassende Durchbrüche gelungen. Dennoch sind Krebserkrankungen bei Kindern die zweithäufigste Todesursache nach Unfällen. Für die jungen Patienten und ihre Angehörigen ist der Umgang mit der Krankheit eine besondere Herausforderung.

Krebs ist Todesursache Nummer zwei in Deutschland, nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Jährlich erkranken rund 450.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs – also an unkontrolliertem Zellwachstum, das prinzipiell jedes Organ betreffen kann. Die bei Männern am meisten diagnostizierte Form ist mit 26 Prozent der Neuerkrankungen Prostatakrebs, Frauen erkranken mit 29 Prozent am häufigsten an Brustkrebs. An zweiter und dritter Stelle stehen bei männlichen wie weiblichen Patienten Darm- und Lungenkrebs. Die Erkrankungsursachen geben der Gesundheitsforschung Rätsel auf: Bislang ist bekannt, dass genetische Defekte, Umweltfaktoren, bestimmte Krankheiten, Medikamente, aber auch eine ungesunde Lebensweise eine Rolle spielen können. Die Erkenntnisse der bisherigen Forschung gelten allerdings nur begrenzt für Kinder, denn bei ihnen unterscheiden sich Krebserkrankungen in Häufigkeit, Art und Verlauf im Vergleich zu Erwachsenen deutlich.

Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) erkranken in Deutschland jährlich rund 1.800 Kinder unter 15 Jahren an Krebs. Bösartige Zellveränderungen liegen zwar nur einem Prozent aller Krankheiten von Kindern und Jugendlichen zugrunde – bei Erwachsenen sind es 90 Prozent – sie sind aber die zweithäufigste Todesursache in dieser Altersgruppe. „Bei Kindern werden Krebsarten oft durch andere molekulare Mechanismen ausgelöst als im Erwachsenenalter“, erklärt Professorin Simone Fulda, Direktorin des Instituts für experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie an der Universität Frankfurt. Auch schädliche Umwelteinflüsse seien nicht in der gleichen Weise bei der Krebsentstehung beteiligt wie bei Erwachsenen. „Häufiger als exogene Faktoren sind im Kindesalter fehlgeleitete Signalwege in der Zelle für den Krebs verantwortlich“, so Professorin Simone Fulda.



Die häufigsten Krebsarten bei Kindern



Fortschritte in Diagnose und Therapie

Am häufigsten treten bei Kindern Leukämien auf, bei denen sich unreife weiße Blutzellen ungehemmt vermehren. 34 Prozent der jungen Krebspatienten sind davon betroffen. Tumore des Zentralnervensystems machen einen Anteil von 23 Prozent aus, bösartige Lymphknotengeschwulste elf Prozent. Die Gesundheitsforschung hat bei Diagnose und Therapie erhebliche Fortschritte erzielt: Mittlerweile liegen die Überlebenschancen der jungen Patienten bei 70 bis 80 Prozent. In den 1960ern betrug die Rate weniger als 20 Prozent.



Die Überlebenschancen von Kindern, die an Krebs erkranken



Mit den heutigen bildgebenden Verfahren lassen sich Tumore und Metastasen präziser orten. Auch Operationsverfahren und Strahlentherapie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert. Zudem gehören in Deutschland sogenannte Therapieoptimierungsstudien (TOS) zum Standard: Die jungen Patienten werden von pädiatrisch-onkologischen Schwerpunktkliniken nach einheitlichem Therapieschema betreut, das kontinuierlich an neue Erkenntnisse der Gesundheitsforschung angepasst wird. Dabei rückt das Thema Spätfolgen immer mehr in den Fokus der Bemühungen der Wissenschaft. Junge Patienten haben noch ihr ganzes Leben vor sich – umso wichtiger ist für die Forschung die spätere Lebensqualität der Kinder. Denn trotz medizinischer Fortschritte sind Beschwerden nach Operationen, verzögertes Wachstum, beeinträchtige Fruchtbarkeit, Herzprobleme oder Konzentrationsschwäche nach einer Krebstherapie nicht auszuschließen. Auch das Risiko von Zweittumoren liegt bei jungen Patienten deutlich höher. Regelmäßige Nachsorge ist daher ein notwendiger und unumgänglicher Teil des Lebens junger Krebspatienten.

Rat und Unterstützung für Betroffene

Neben der medizinischen Versorgung ist die psychologische Begleitung der Betroffenen und ihrer Angehörigen eine zentrale Komponente: Monatelange intensive Behandlungen, weit weg von der gewohnten Umgebung zuhause, Operationen und akute Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Hautverletzungen sind für Kinder wie Eltern eine erhebliche psychische Belastung. Die Angst vor einem Rückfall und bleibenden Schäden gehört bei Betroffenen noch Jahre später zum Alltag. Daher gibt es an zahlreichen pädiatrisch-onkologischen Fachabteilungen ausgebildete Therapeutinnen und Therapeuten, die den Familien zur Seite stehen. Durch Information und Aufklärung unterstützen sie die Kinder und Familien. Beratungsstellen wie der Krebsinformationsdienst bieten außerhalb der Kliniken ebenfalls Hilfe für Betroffene. „Jedes Mitglied der Familie hat seine individuellen Bedürfnisse“, erklärt Roland Wehrle, Stiftungsvorstand der DEUTSCHEN KINDERKREBSNACHSORGE – Stiftung für das chronisch kranke Kind. „Nach monatelangem Hoffen und Bangen, nach Getrenntsein von Eltern und Geschwistern ist eine physische und psychische Stabilisierung der gesamten Familie wichtig.“