Neue Wege in der Krebsforschung
Die Erforschung neuartiger Therapien gegen den Krebs ist eines der wichtigsten Gebiete moderner Gesundheitsforschung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen neue Wege: Zum Beispiel mit Ionenstrahl-Therapien oder der immuntherapeutischen Krebsbehandlung.
Die Behandlungsräume im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum wären für jeden Science-Fiction-Film die perfekte Kulisse. Der visionäre Eindruck stimmt, denn das 2009 eröffnete Therapiezentrum ist deutschlandweit das einzige, welches eine Krebstherapie durch Bestrahlung mit Schwerionen und Protonen ermöglicht. Es ist beispielhaft für das Potenzial, das in der Zusammenarbeit verschiedener Forschungseinrichtungen steckt.
Denn schon in der Planungsphase arbeiteten Institute aus verschiedenen Orten Deutschlands zusammen. Das Besondere an einer Behandlung im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) liegt in der Andersartigkeit der Strahlen: Im Gegensatz zu üblichen Behandlungsmethoden mit Röntgen- oder Gamma-Strahlen ist eine Bestrahlung mit Ionen genauer dosierbar und birgt damit weniger Nebenwirkungen. Zudem wirken die Strahlen tiefer im Gewebeinneren und sind daher weniger belastend für das den Tumor umgebende Gewebe. So kann die Bestrahlung höher dosiert werden und die Heilungschancen der Patienten steigen.
Betroffene, die an Knochentumoren, an Tumoren des Schädelbasis, des Beckens oder der Speicheldrüsen erkrankt sind, können neue Hoffnung schöpfen. Ebenso Erkrankte, deren Tumorzellen gegen konventionelle Behandlungen resistent waren oder an schwer erreichbaren Stellen tief im Inneren des Körpers liegen. Denn diese Tumoren sprechen ausgesprochen gut auf die neue Strahlentherapie an.
Und vor allem für die Behandlung krebskranker Kinder birgt sie großes Potenzial. Gerade für jungen Patienten sollten langfristige Nebenwirkungen einer Bestrahlung so gering wie möglich gehalten werden. Dies sei mit der Technik am HIT besonders gut möglich, erläutert Professor Jürgen Debus, wissenschaftlich-medizinischer Leiter des Zentrums. „Da mit Ionenstrahlen das gesunde Gewebe sehr gut geschont wird, können Wachstums- und Entwicklungsdefizite sowie das Entstehen von Zweittumoren vermieden werden.“ Welche Heilungserfolge die Therapie im Heidelberger Zentrum langfristig bringt, erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den kommenden Jahren anhand klinischer Studien. „Diese Studien werden uns zeigen, welche Tumoren mit welcher Strahlenqualität am erfolgreichsten behandelt werden können. Das sind ganz wichtige Erkenntnisse, um eine Bestrahlung noch individueller auf jeden Tumorpatienten zuschneiden zu können und damit die Heilungschancen des einzelnen zu verbessern,“ so Professor Debus.
Auf die Kraft des eigenen Körpers statt beschleunigter Teilchen, setzen Forschungsansätze, die sich des körpereigenen Immunsystems zur Krebsbehandlung bedienen. Die Forschergruppen der Helmholtz-Allianz zur Immuntherapie bei Krebserkrankungen untersuchen, mit welchen Mitteln körpereigene Abwehrkräfte gegen Tumorzellen mobilisiert werden können. Denn grundsätzlich kann das menschliche Immunsystem Krebszellen als solche erkennen und bekämpfen, sofern diese sich ausreichen von gesunden Zellen unterscheiden. Da dies jedoch nur selten der Fall ist, bildet der Körper bei den meisten Krebserkrankungen keine eigenen, spezifischen Antikörper.
Insbesondere für krebskranke Kinder kann die immuntherapeutische Krebsbehandlung positive Wirkung erzielen. Denn Leukämiezellen sind für eine Immuntherapie gut zugänglich und Leukämie ist die häufigste Krebsform, an der Kinder erkranken. Problematisch in der Behandlung von Leukämien ist allerdings die Resistenz der Tumorzellen gegen den durch Chemo- oder Immuntherapie ausgelösten Zelltod (Apoptose). Hier setzt einer der Forschungsschwerpunkte der Wissenschaftler der Helmholtz-Allianz an: es sollen neue Kombinationstherapien entwickelt werden, die die Resistenz überwinden können.
Die Erforschung von Immuntherapien ist also noch nicht so weit, dass damit weitreichende und exklusive Heilungserfolge erzielt werden konnten. Dennoch sind sie bereits eine vielversprechende Ergänzung zu den klassischen Therapieformen. Professor Peter Krammer, Leiter der Abteilung Immungenetik am Deutschen Krebsforschungszentrum, wählt ein deutliches Bild, um seine Arbeit auch Laien verständlich zu machen: Er bezeichnet Antigene als „scharfe Kampfhunde, die allerdings noch nicht richtig von der Leine gelassen wurden“. Das Ziel der Forschung sei damit klar: „Wir müssen nur herausfinden, wie wir diese Kampfhunde richtig abrichten, damit sie an der richtigen Stelle zubeißen.“