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„Flexibel muss man sein!“

„Flexibel muss man sein!“

Die Post kommt zu Fuß durchs Watt

Knud Knudsen ist deutschlandweit der einzige Briefträger, der die Post zu Fuß durchs Watt bringt

Was das Schönste an seinem Beruf ist, kann Knud Knudsen gar nicht sagen. Schön sei es immer. Besonders wenn er allein im Watt steht, die Tiere auf ihrer Futtersuche beobachtet und die Zugvögel im Herbst vorbeiziehen sieht: „Wie eine Wolke sieht das dann aus.“ Seit 2001 ist Knudsen nebenberuflich Postbote für die Hallig Süderoog im nordfriesischen Wattenmeer, auf der nur das Paar Nele Wree und Holger Spreer gemeinsam wohnt und wirtschaftet. Zweimal die Woche – davon einmal meist am Sonntag –, wenn Knudsen frei hat oder Überstunden abbummeln muss, schnappt er sich bei Niedrigwasser seinen Kompass und stiefelt los. Sieben Kilometer sind es von seiner Heimatinsel Pellworm bis nach Süderoog, für die der Wattpostbote je nach Wetterlage etwa eineinhalb Stunden braucht. Zeit für einen langen Aufenthalt auf der Hallig bleibt allerdings nicht, denn die Natur bestimmt, wann sich Knudsen wieder auf den Rückweg machen muss.

„Meist bleibt mir etwa eine Stunde Aufenthalt, bis ich zurückmuss.“ Trotzdem reicht es für einen kurzen Schnack und um die neuesten Inselnachrichten auszutauschen. Obwohl Nele Wree und Holger Spreer ganz alleine auf Süderoog wohnen, haben sie doch viel zu erzählen. Denn neben den alten und gefährdeten Haustierrassen auf ihrem Arche-Hof kümmern sie sich auch um Touristengruppen, den Küstenschutz und Hochzeitsgäste, die den Bund der Ehe auf der Hallig eingehen. Aber in den Wintermonaten ist der geborene Pellwormer Knudsen oft der einzige, der die beiden Halligbewohner regelmäßig besucht.

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Mit dem Kompass immer auf Kurs

Woanders zu wohnen, kann sich Knudsen trotz der Besonderheiten des Lebens auf einer Insel nicht vorstellen. Er habe zwar schon in anderen Orten wie Lübeck oder Kiel gelebt, Pellworm sei aber seine Heimat. „Das Leben auf einer Insel, das ist Ruhe und Weite. Vom Deich aus bis zum Horizont schauen oder den Sonnenuntergang sehen. In einer Großstadt würde ich untergehen.“ Hauptberuflich ist der Pellwormer Wasserbauer, kümmert sich also um die Deichpflege, den Bau und die Instandhaltung von Küsten- und Uferbefestigungen, also kurz: „alles, was am Deich anfällt“. Wieso dann noch der Job als Postbote? „Alleine durchs Watt gehen - das hat schon was!“ Außerdem hält sich der 62-Jährige so fit. Krank sei er eigentlich nie – das ist wohl auch den regelmäßigen Wandertouren zu verdanken. Obwohl er die Einsamkeit im Wattenmeer genießt, nimmt er aber auch gern Menschen mit auf seine Tour. Besonders Kinder sind auf Knudsens Wanderungen durchs Watt immer willkommen. Auch wenn die Natur ein enges Zeitfenster für die Tour durch den Schlick vorgibt, Fragen zu Wattwürmern, Herzmuscheln, Möwen oder anderen Küstenlebewesen beantwortet Knudsen trotzdem gerne. Was auf seiner Tour niemals fehlen darf? „Auf jeden Fall der beleuchtete Kompass“. Dieser weise ihm auch bei Dunkelheit oder Nebel den richtigen Weg nach Süderoog. Bei gutem Wetter läuft Knudsen barfuß und in kurzer Hose, ist das Wetter ganz mies, muss auch mal die Regenjacke mit. Für den Notfall hat der Postbote ebenfalls sein Handy in der Tasche. Passiert ist in den letzten 16 Jahren allerdings noch nie etwas. Nur einmal kam das Wasser zu schnell zurück, sodass Knudsen auf der Hallig übernachten musste. Die Idee, ein Boot für die Überfahrt zu nutzen, sodass auch bei Hochwasser die Briefe zugestellt werden können, bleibt für den Postboten trotzdem erst einmal Zukunftsmusik. Natürlich wäre er dadurch flexibler, aber allein finanziell würde sich das für Knudsen nicht lohnen. „Ich habe das mal ausgerechnet, ich verdiene etwa fünf Euro die Stunde. Ein Boot auszuhalten, wäre dann zu teuer. Außerdem gehe ich gerne zu Fuß!“

Traumberuf: Seefahrer

Der Vertrag über die Briefzustellung bei der Post, der eine Pauschale für die Arbeit vorsieht, läuft unbefristet. Mindestens die 25 Jahre will der Wattpostbote vollmachen – also mindestens noch neun Jahre: „Solange ich mich bewegen kann, bringe ich die Post auch zur Hallig.“ Und was wäre, wenn sich Knudsen ganz frei für einen Beruf entscheiden könnte? „Wenn ich nochmal 15 wäre, dann würde ich zur See fahren. Aber ich bin auch jetzt ganz zufrieden.“ Ob sein Name etwas damit zu tun haben könnte, dass Knudsen den Job bekommen hat? Hinsichtlich des Vorgängers Jens Jensen liegt diese Vermutung nah. Wichtiger sind der Post allerdings Ortskunde und körperliche Belastbarkeit. Besonders im Winter kann es manchmal ganz schön anstrengend sein, das Wattenmeer zu überqueren. Vor ein paar Jahren war die Nordsee so sehr mit Eis bedeckt, dass selbst Knudsen nicht losgehen konnte. Solche Szenarien sind aber eher selten. Heutzutage geht der Pellwormer nahezu bei jedem Wetter los – es sei denn, es ist zum Beispiel bei Gewitter zu gefährlich. Einschätzen kann er die Gefahr aber mittlerweile ziemlich gut. Man muss einfach lernen, auf die Natur zu hören – denn sie bestimmt, wie die Touren durchs Watt verlaufen.

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