Zum Wissenschaftsjahr 2018
Auf Tauchstation mit Königspinguinen

Auf Tauchstation mit Königspinguinen

Ein Expertenbeitrag von Dr. Annette Scheffer

Auf Tauchstation mit Königspinguinen

Ein Expertenbeitrag von Dr. Annette Scheffer, Marine Stewardship Council, London

Nahrungssuche im Ozean spielt für Tiere wie Pinguine eine überlebenswichtige Rolle, besonders wenn es ein Küken zu versorgen gilt. Doch was passiert, wenn sich die Ozeane und mit ihnen das Futterangebot für die Tiere verändern?

Pinguine sind sogenannte „central place forager“, die von einem zentralen Punkt aus – der Kolonie – auf Nahrungssuche gehen. Das kann man sich wie unser Einkaufsverhalten vorstellen: Wir gehen möglichst direkt zum nächsten Supermarkt, kaufen ein, und bringen unsere „Beute“ zurück nach Hause. Doch was würden wir tun, wenn auf einmal alle Supermärkte in Reichweite geschlossen wären? Diese Frage stellt sich für die Pinguine, angesichts einer sich verändernden Umwelt, die zugleich auch deren Jagdgründe beeinflusst.

Die größten Königspinguin-Kolonien befinden sich auf Inseln im Antarktischen Zirkumpolarstrom, der mächtigsten Meeresströmung der Welt, die den Antarktischen Kontinent umrundet und reichhaltige Nahrungsreserven bietet. Doch angesichts des Klimawandels gilt es nun herauszufinden, wie zukünftige Umweltveränderungen das Nahrungsangebot im Ozean und somit das Jagdverhalten und letztendlich die Überlebenschancen der Pinguine beeinflussen können.

Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit am British Antarctic Survey in Cambridge und dem Centre d’Etudes Biologiques de Chizé in Frankreich habe ich das Jagdverhalten der Königspinguine auf den Inseln Südgeorgien im Südatlantik und Kerguelen im südlichen Indischen Ozean untersucht. Beim sogenannten „Tracking“ werden die Pinguine mit kleinen GPS- und Tauchrekordern ausgerüstet, um die Position der Tiere und deren detaillierte Unterwasserbewegungen, während ihrer Beutezüge auf See, aufzuzeichnen. Die gewonnenen Daten werden dann mit Umweltdaten von Satelliten wie z.B. Wassertemperatur oder Meeresströmungen kombiniert. Daraus ergibt sich ein präzises dreidimensionales Bewegungsbild der Pinguine im Meer.

Annette Scheffer ist Meeresbiologin und interessiert sich für die marinen Jäger an der Spitze der Nahrungskette (z.B. Pinguine, Wale und Delfine) sowie nachhaltiges Management der Fischressourcen. Sie hat mehrere Jahre das Jagdverhalten von Pinguinen erforscht und an der Einrichtung mariner Schutzzonen für Pinguine mitgearbeitet. Gegenwärtig ist Annette Scheffer als Senior Monitoring, Evaluation and Policy Analyst beim Marine Stewardship Council in London tätig.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Pinguine gezielte Stellen im Meer zur Jagd aufsuchen und in bestimmte Wasserschichten tauchen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Polar Front (ein Teil des mächtigen Antarktischen Zirkumpolarstromes) und die Thermokline (das Zusammentreffen von kaltem Antarktischem Tiefenwasser mit dem von der Sonne aufgewärmten Oberflächenwasser), wo starke Temperaturgradienten herrschen. An diesen Strukturen sammeln sich Nährstoffe und Kleinstlebewesen im Überfluss an, die wiederum Nahrung für Fische und letztendlich die Pinguine bieten. Strukturen, die über eine längere Zeit stabil an einem Ort zu finden sind, sind dabei besonders wichtig, da sie verlässliche Nahrungsquellen darstellen: die Supermärkte der Meere.

Doch was passiert, wenn sich die ozeanischen Strukturen verändern? Wie flexibel sind die Pinguine, um trotzdem noch genug Futter in der Nähe der Kolonie zu finden? Ungewollten Einblick in diese Frage bekam ich während meiner Feldarbeit auf der Insel Kerguelen, wo die Pinguine nicht wie erwartet mit vollen Bäuchen zur Kolonie zurückkamen, sondern immer weiter nach Süden schwammen und ihre Küken an Land nicht füttern konnten. Als die aufgezeichneten Bewegungen der Pinguine mit den Umweltdaten kombiniert wurden, zeigte sich, dass sich das Meerwasser um die Pinguin-Kolonie stark erwärmt hatte und sich damit die Polar Front und das kalte Tiefenwasser weit von der Kolonie weg Richtung Süden verschoben hatte. Die hungrigen Pinguine folgten diesen ozeanischen Strukturen, ihren sogenannten Jagdgründen, um genügend Beute zu finden. Dadurch wurde der Rückweg zu weit, um die Kolonie rechtzeitig zur Kükenfütterung erreichen zu können – die Küken verhungerten.

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Die Informationen, die aus dem beobachteten extremen Ereignis auf Kerguelen gewonnen wurden, liefern wichtige Erkenntnisse zu möglichen Folgen von zukünftigen Umweltveränderungen, und den eventuell katastrophalen Auswirkungen auf Lebewesen. In diesem Zusammenhang sind Pinguine wichtige Indikatoren über den Zustand des marinen Ökosystems des Antarktischen Ozeans. Durch Verhaltensauffälligkeiten machen sie Probleme in diesen Lebensräumen deutlich, die wir mit anderen modernen, direkten Messmethoden wohl erst viel später oder gar nicht erkennen würden.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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