Zum Wissenschaftsjahr 2018
Die Verbindung von Flüssen und Meeren und das Überleben des Europäischen Störs

Die Verbindung von Flüssen und Meeren und das Überleben des Europäischen Störs

Ein Expertenbeitrag von Dr. Jörn Geßner und Madeleine Ammar

Die Verbindung von Flüssen und Meeren und das Überleben des Europäischen Störs

Ein Expertenbeitrag von Dr. Jörn Geßner und Madeleine Ammar, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei

Dieser Expertenbeitrag ist im Rahmen der Elbschwimmstaffel des Wissenschaftsjahrs 2016*17 – Meere und Ozeane entstanden. Hier gelangen Sie direkt zur größten Freiwasser-Schwimmstaffel Deutschlands.

Flüsse und Meere stellen zwei ungleiche Ökosysteme dar, die dennoch eng verbunden und voneinander abhängig sind. Wasser aus der Landschaft wird im Fluss gesammelt und dem Meer zugeführt, wobei es Sedimente und gelöste Stoffe, aber auch Abwasser und Abfälle mit sich führt. Diese Frachten, die mit dem Flusswasser an die Küsten transportiert werden, tragen zur Belastung beider Ökosysteme bei, die zusätzlich durch den Gewässerbau bestärkt wird: Die Kanalisierung der Flüsse reduziert die Rückhaltekapazität der Fließgewässer und sorgt somit für die Zerstörung der Gewässerstruktur. Denn durch die Kanalisierung gehen viele natürliche Lebensräume – wie Auen – verloren, oder Seitenarme werden abgeschnitten. Diese könnten im Falle von Hochwasser, große Wassermengen „zurückhalten“. Durch den Verlust dieser Flussabschnitte lässt sich der Abfluss nicht verringern.

Madeleine Ammar ist Koordinatorin des Wanderfisch-Projektes am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Jörn Geßner ist Arbeitsgruppenleiter der Abteilung Biologie und Ökologie der Fische am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.

Weiterhin verwandelt der Bau von Dämmen und Wehren viele Gewässerabschnitte in stehende Wasserkörper – die Abnahme der Strömung behindert den Austausch zwischen Binnen- und Küstengewässern.

Diese Belastungen wirken sich insbesondere auf solche Lebewesen aus, die gleichermaßen auf die Lebensräume Fluss und Meer angewiesen sind. Dazu gehören Stör, Lachs und viele weitere Wanderfischarten, die verschiedene Phasen ihres Lebens im Süß- und Salzwasser verbringen.

Der Europäische Stör (Acipenser sturio) ist ein typischer Vertreter dieser Artengruppe. Er laicht im Frühsommer in kiesigen Flussabschnitten und erreicht mit etwa zwei Jahren die Nordsee, wo er bis zu seiner Geschlechtsreife, im Alter von etwa 15 Jahren, verbleibt. Dann kehrt der Stör zurück in seinen Geburtsfluss, wo er über die nächsten 80 Jahre immer wieder selbst für Nachwuchs sorgt. Sein Wanderverhalten hat sich über die vergangenen 250 Millionen Jahre entwickelt, und sorgte für ein stabiles Wachstum der Stör-Populationen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind diese Bestände jedoch auf Grund menschlicher Eingriffe in die Natur drastisch zurückgegangen. Heute gilt der Europäische Stör als ausgestorben – eine letzte natürliche Population existiert in der französischen Gironde.

Seit 1996 arbeiten das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und die französische Forschungseinrichtung Irstea (Institut national de recherche en sciences et technologies pour l'environnement et l'agriculture) zusammen. In ihrer Arbeit befassen sie sich mit dem Aufbau eines Elterntierbestandes aus der französischen Population und den nachfolgenden Besatzmaßnahmen, um einen sich selbst erhaltenden Bestand in der Gironde und der Elbe aufzubauen. Die ersten Tiere wurden 2008 in der Elbe freigesetzt – seither ist die Zahl der ausgesetzten Jungstöre auf etwa 20.000 gestiegen. Die enge Kooperation mit der Fischerei hilft, die Spuren der Wanderer zu orten: Von der Elbe, über das Wattenmeer, von der Nordsee bis ins Kattegat und in den Englischen Kanal reichen die Meldungen von Zufallsfängen der in der Elbe besetzten Störe.

Um den Europäischen Stör langfristig wiederanzusiedeln, müssen jedoch auch die Ursachen der Bedrohung bekämpft werden und ein öffentliches Bewusstsein für die Bemühungen der Wiederansiedelung geschaffen werden. Ein Beispiel hierfür ist Europas größte Fischaufstiegsanlage bei Geesthacht, die es möglich gemacht hat, dass der Stör und viele andere Fischarten trotz des 1957 gebauten Wehrs ihre Wanderung zwischen Mittelelbe und Nordsee fortsetzen können.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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