Zum Wissenschaftsjahr 2018
Ein Riese macht sich auf den Weg

Ein Riese macht sich auf den Weg

Ein Expertenbeitrag von Dr. Thomas Rackow und Dr. Daniela Jansen

Ein Riese macht sich auf den Weg

Ein Expertenbeitrag von Dr. Daniela Jansen und Dr. Thomas Rackow, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Am 12. Juli 2017 war es soweit: Der Riss im Larsen-C-Schelfeis, der über die letzten Jahre mit Satellitendaten beobachtet wurde, erreichte die Eisfront und ein etwa 5800 Quadratkilometer großer Tafeleisberg löste sich ab. Die neue Eisfront des Larsen-C-Schelfeises hatte sich weiter zurückgezogen als jemals zuvor beobachtet.
Ist das Schelfeis noch im Gleichgewicht und wird sich die Eisfront wieder langsam voranschieben? Oder führt dieses Ereignis zu einer instabilen Eiskante, die sich weiter zurückzieht? Dies wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Gleich nach der Kalbung waren weitere Risse zu sehen, die wahrscheinlich in nächster Zeit zu weiteren, kleineren Eisbergen führen werden. Natürlich steht das Schelfeis weiter unter Beobachtung, um erste Anzeichen eines weiteren Rückzugs gleich zu entdecken. Bisher hat sich das Kalbungsereignis noch nicht auf das Fließen der Gletscher ausgewirkt, die in das Schelfeis münden.

Obwohl der Eisberg schon vor mehr als zwei Monaten abgebrochen ist, liegt er zurzeit noch immer nah vor der neuen Schelfeiskante. Das liegt auch an den Meereisbedingungen vor der Küste. Langsam dreht sich nun aber sein südliches Ende aus der Lücke heraus, die er im Schelfeis hinterlassen hat. Bei diesem Manöver könnte der Eisberg mit seiner nördlichen Spitze mit der Schelfeiskante kollidieren und auf diese Weise für weitere Abbrüche sorgen. Die Frage ist: Wohin wird der neue Eisberg mit dem Namen A-68 nun driften?

Dr. Daniela Jansen ist Glaziologin und erforscht am Alfred-Wegener-Institut das Fließverhalten von Eis, von mikroskopischen Betrachtungen einzelner Eiskristalle bis zur Deformation der Eisschilde.

Dr. Thomas Rackow schloss 2011 sein Studium der Technomathematik mit einer Arbeit über die Eisbergdrift ab und promovierte im Anschluss in Physik an der Universität Bremen. Seit 2015 ist er Klimamodellierer am Alfred-Wegener-Institut und erforscht Mechanismen, die zu Klimavariabilität führen. Sein Ziel ist es, fehlende Prozesse wie kleinskalige Ozeanwirbel oder die Eisbergdrift in heutige Klimasimulationen zu übernehmen und deren Vorhersagen dadurch zu verbessern.

Voraussichtlich wird er entlang der Küste der Antarktischen Halbinsel nach Norden treiben. Diesen Weg nehmen viele große Eisberge, weshalb diese Strecke „Eisberg-Autobahn“ oder „Iceberg Alley“ genannt wird. Wie schnell A-68 auf seinem Weg nach Norden vorankommen wird, hängt auch von der Topographie des Meeresbodens ab: Aufgrund seines großen Tiefganges könnte der Eisberg auf Grund laufen und daher eine Zeit lang stecken bleiben. Auf seinem Weg werden ihm zudem Wellen, die an seine Seite schlagen, zu schaffen machen. Diese höhlen den Eisberg entlang der Wasserlinie aus und sogar dafür, dass überhängende Eisblöcke abbrechen.

Später dürfte er einen Bogen in Richtung Nordosten schlagen und entlang der nördlichen Grenze des Weddellwirbels weiter nach Osten treiben. Dabei könnte er, wie andere Eisberge zuvor auch, Südgeorgien oder die Süd-Sandwichinseln erreichen und auf diesem Weg in großem Ausmaß an seiner Unterseite zu schmelzen beginnen. Die Reise hierher könnte dann bereits zwei bis drei Jahre gedauert haben.

Computersimulationen zeigen, dass die größten antarktischen Eisberge sogar acht bis zehn Jahre überleben und daher noch weiter nach Osten driften könnten, vorbei an den Süd-Sandwichinseln. Dies setzt allerdings voraus, dass die Eisberge als Ganzes erhalten bleiben. Wie weit A-68 letztlich treiben wird, hängt also auch davon ab, wann genau er in kleinere Stücke zerfallen wird. Dieser Prozess ist zurzeit noch nicht gut verstanden und daher nicht in heutigen Computersimulationen erfasst. Er ist allerdings Gegenstand aktueller Forschung, sodass wir die Modelle hoffentlich bald erweitern können werden. In der Vergangenheit wurde übrigens ein Eisberg von AWI-Forscherinnen und -Forschern mit einem GPS-Sender ausgerüstet, der die Antarktis einmal im Uhrzeigersinn umrundet hat. Dieser beachtliche Kurs zeigt uns, dass die längsten simulierten Eisbergrouten bereits heute plausibel sind. Solch ein Kurs ist aber sicherlich nicht die Regel.

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