Zum Wissenschaftsjahr 2018
Blaue Apotheke – Arzneistoffe aus marinen Organismen

Blaue Apotheke – Arzneistoffe aus marinen Organismen

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Peter Schupp

Blaue Apotheke – Arzneistoffe aus marinen Organismen

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Peter Schupp, Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg (ICBM)Seit Jahrtausenden sind die Ozeane eine wichtige Nahrungsquelle (vgl. Aquakultur überholt Fischerei). Arzneimittel aus dem Meer gewinnen erst in den letzten 50 Jahren an Bedeutung.
Medikamente aus Landorganismen (insbesondere Pflanzen) kennt der Mensch nahezu von Beginn an. Erst die Entwicklung des Gerätetauchens jedoch machte marine Organismen als Quelle von Arzneistoffen überhaupt interessant. Besonders lohnend sind hier Algen und festsitzende wirbellose Tiere wie Schwämme, Weichkorallen und Seescheiden tropischer Korallenriffe.

Korallenriffe werden oft als die Regenwälder des Meeres bezeichnet: Ähnlich ihrem Gegenstück an Land sind sie enorm artenreich. Besonders festsitzende Organismen konkurrieren hier um begrenzten Raum, Licht und Nährstoffe. Dafür nutzen sie oft Chemie (z. B. Gifte), die etwa das Wachstum von Konkurrenten hemmt. Auch gegen Krankheitserreger schützen sich diese Organismen durch Naturstoffe, die antimikrobiell wirken. Bei der Abwehr von Fraßfeinden sind ebenfalls chemische Stoffe wichtig. Festsitzende Tiere und Algen können sich nicht verstecken oder fliehen. Sie müssen daher ihre Feinde wie Fische chemisch abschrecken, um nicht gefressen zu werden. Räuber verwenden ihrerseits Gifte zum Töten ihrer Beute. 

Seit 2010 leitet Prof. Dr. Peter Schupp die Arbeitsgruppe Umweltbiochemie am Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg. Die Gruppe befasst sich mit der chemischen Ökologie und den pharmakologischen Aktivitäten von Naturstoffen mariner Organismen.
 

Es zeigte sich, dass bei dieser Vielfalt an bioaktiven Naturstoffen auch solche vorhanden sind, die zu neuen Medikamenten weiterentwickelt werden können. Inzwischen wurden über 28.000 verschiedene Verbindungen aus marinen Organismen beschrieben. Forscher der Arbeitsgruppe Umweltbiochemie am ICBM der Universität Oldenburg setzen ausgefeilte ökologische Versuche ein, um aus der Unmenge an Organismen gezielt solche mit bioaktiven Stoffen herauszusuchen. Diese Substanzen haben recht vielfältige Effekte. Sie wirken zum Beispiel antimikrobiell, zytostatisch, fungizid oder antiviral. Um genügend Material für pharmakologische Studien zu gewinnen, werden die Stoffe, wo möglich, synthetisch hergestellt. Momentan sind sieben Verbindungen aus Meeresorganismen als Medikamente zugelassen. Sie werden zur Behandlung von Krebserkrankungen (Cytosar-U®), gegen Viren (Vira-A®) und zur Schmerztherapie (Prialt®) eingesetzt. Weitere 30 marine Naturstoffe werden aktuell in klinischen Studien an Patienten überprüft. Sie haben gute Aussichten, als Medikamente zugelassen zu werden.

Einmal mehr zeigt sich so, dass das Meer unseren nachhaltigen Schutz verdient. Und dies nicht nur als vielfältiger Lebensraum und Nahrungsquelle, sondern auch als Lieferant neuartiger Medikamente.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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