Zum Wissenschaftsjahr 2018
Künstliche Riffe als Lösung der Korallenriffkrise?

Künstliche Riffe als Lösung der Korallenriffkrise?

Expertenbeitrag von Dr. Sebastian Ferse

Künstliche Riffe als Lösung der Korallenriffkrise?

Expertenbeitrag von Dr. Sebastian Ferse, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT)

Korallenriffe sind zunehmend in den Schlagzeilen. Sie sind einer der artenreichsten Lebensräume des Planeten und liefern wichtige „Dienstleistungen“ für den Küstenschutz, als Nahrungsressource und Touristenattraktion. Deren Gegenwert wird auf über acht Billionen Euro pro Jahr geschätzt. Fortschreitender Klimawandel, Überfischung und zerstörerische Fischerei, Verschmutzung und Küstenverbauungen bedrohen die Riffe allerdings zunehmend. So befürchten einige Wissenschaftler sogar, tropische Korallenriffe könnten weltweit das erste Ökosystem sein, das durch Menschenhand ausstirbt.

Vor einigen Monaten ging die Nachricht der bisher stärksten Korallenbleiche des Großen Barrier Riffs in Australien durch die Presse – über 90 Prozent des Riffs waren von diesem Phänomen, das durch extrem hohe Wassertemperaturen ausgelöst wird, betroffen. Nur ein gleichzeitig auftretender Wirbelsturm sorgte dafür, dass die Bleiche einige Bereiche weniger stark betraf und nicht zu einem großflächigen Absterben führte.

Der Korallenriffökologe Dr. Sebastian Ferse leitet seit 2013 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Nutzung, Resilienz und Diversität von Korallenriffen“ am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen. Er forscht zu Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in Korallenriffen und befasst sich unter anderem mit Ökosystemfunktionen im Korallenriff und mit Riffrestauration.

Der schlechte Zustand vieler Riffe hat vielerorts Menschen auf den Plan gerufen, die sich mit Maßnahmen zu deren Erhaltung beschäftigen. Ein häufig diskutiertes Instrument ist dabei die Korallenriffrestauration mit künstlichen Riffen. Diese menschgemachten Strukturen kommen in vielfältigen Formen und Materialien vor.

In manchen Fällen handelt es sich dabei lediglich um geschickt vermarktete Verklappungen von sperrigen Altlasten wie ausrangierte Schiffe, Bohrplattformen oder Bahnwaggons. Es gibt aber auch Forscher, die sich gezielt mit optimierten Formen und Materialien von künstlichen Riffen beschäftigen, die dann als neue Habitate für Fische und Korallen dienen. Häufig werden diese Strukturen durch gezieltes Transplantieren lebender Korallen zusätzlich „bepflanzt“.

Eindrücke aus der Forschung zu künstlichen Riffen (Bildergalerie)

Oftmals lassen sich auf diese Art und Weise lokale Schäden am Riff in Teilen beheben. Die Entwicklung künstlicher Riffe hat inzwischen große Fortschritte gemacht und erstaunliche Techniken hervorgebracht. Dazu zählen zum Beispiel die sogenannten „Biorocks“, bei denen durch Stahlgeflechte, die in verschiedensten Formen konstruiert werden können, ein schwacher elektrischer Strom geleitet wird. Dieser sorgt durch eine elektrochemische Reaktion dafür, das sich an seiner Oberfläche hartes Kalziumkarbonat ablagert. Darauf können sich Korallen sehr gut ansiedeln; das elektrische Feld stimuliert zudem ihr Wachstum.

Künstliche Riffe wie die Biorocks bieten den wesentlichen Vorteil, dass sie sich je nach Bedarf formen und somit zur „Reparatur“ lokal begrenzter Schäden in Riffen verwenden lassen. Diese Riffrestauration birgt jedoch auch ein oftmals verkanntes Risiko. Unkritisch propagiert kann sie das Gefühl erzeugen, dass sich Korallenriffe je nach Belieben wieder reparieren oder sogar komplett neu erschaffen lassen. Wissenschaftlich nicht fundierte Aussagen, wie zum Beispiel die Behauptung, Biorocks führen zu einer extrem höheren Widerstandsfähigkeit gegen Korallenbleiche und wären somit ein Mittel, um Riffe vor dem Klimawandel zu schützen, sind irreführend und erweisen dem Riffschutz einen Bärendienst. Ohne eine wirkungsvolle Einbindung in Schutz- und Managementmaßnahmen und ohne weltweite Anstrengungen zum Klimaschutz bleibt das Potenzial der künstlichen Riffe wirkungslos.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

Mehr zum Themenfeld: