Im Verbund zu neuen Ufern



Diagramm zur Überlebensrate von Kindern mit Krebserkrankungen

Bislang sind die Fortschritte bei der Behandlung von Krebs im Kindesalter vor allem auf die Optimierung konventioneller Therapien zurückzuführen. Neue Ansätze der Immun-, Strahlen- und Genforschung sollen nun die Entstehung von Krebs besser verstehen lernen, die Prognosen weiter verbessern und Nebenwirkungen sowie Spätfolgen der Behandlung verringern.

Die Erfolge der Gesundheitsforschung kann man an Zahlen ablesen: Von den etwa 1.800 Kindern, die jährlich in Deutschland erkranken, überleben 80 Prozent. Ende der 1960er Jahre waren es noch weniger als 20 Prozent. Dieser Fortschritt ist insbesondere der Optimierung der Therapien zu verdanken. Weil lebensbedrohliche Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen relativ selten vorkommen, muss die Behandlung, um erfolgreich zu sein, stets auch mit klinischer Forschung und mit Grundlagenforschung verbunden werden. In der Kinderonkologie sind die Voraussetzungen dafür besonders gut: Es gibt zum Beispiel das Zentrale Kinderkrebsregister in Mainz oder das Kindertumorregister in Kiel, die wichtiges Datenmaterial liefern. Kinderonkologen haben sich zusammengeschlossen in der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und nicht zuletzt gibt es seit 1999 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie* (KPOH).

Forschung setzt auf Vernetzung

„Ziel des KPOH ist es, die bestehenden Strukturen besser miteinander zu vernetzen. Um die Therapien kontinuierlich zu optimieren, ist es essentiell, Ergebnisse von Laboruntersuchungen sowie auch klinische Daten über Behandlungsverläufe von hoher Qualität zu erheben, um die Vergleichbarkeit und eine rasche Anwendung der Forschungsergebnisse zum Wohle der Patienten zu gewährleisten“, beschreibt KPOH-Sprecher Professor Günter Henze von der Charité Universitätsmedizin Berlin. In Deutschland werden mehr als 90 Prozent aller Kinder einheitlich im Rahmen von klinischen Studien behandelt, die kontinuierlich dem aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst werden. „Diese Situation ist weltweit einzigartig und lässt sich infolge der immer rascheren Wissensexpansion nur durch eine enge Vernetzung aufrechterhalten“, sagt Professor Henze.

Das Kompetenznetz etablierte ein völlig neues Berufsfeld: speziell ausgebildete Forschungs- und Studienassistenten, die den Ärzten in den Kliniken bei der Dokumentation von Patientendaten helfen und Untersuchungsmaterial gezielt an die zuständigen Referenzlabors weiterleiten. Und es führte zu einer Vereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses, der die Qualität der stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit hämato-onkologischen Krankheiten sichert und auf eine qualitativ hochwertige Versorgung sowie eine verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit und Lebensqualität krebskranker Patienten bis zum 18. Lebensjahr zielt. Krankenkassen müssen nun nur noch Krebstherapien von Kindern und Jugendlichen in Spezialkliniken bezahlen, die geprüfte Qualitätsanforderungen erfüllen und verbindlich an Therapieoptimierungsstudien der GPOH teilnehmen. Auch die Leistungen in den Referenzlabors werden dank der Initiative des Kompetenznetzes (KPOH) von den Krankenkassen finanziert. „Durch das Kompetenznetz haben sich die Behandlung und das Umfeld für krebskranke Kinder wesentlich verbessert“, so Professor Henze.

Um die Kräfte der Krebsforschung weiter zu bündeln, haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutsche Krebshilfe das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) ins Leben gerufen. Seit April 2011 kooperieren bundesweit an acht Standorten 20 Einrichtungen, um aus den Ergebnissen der Grundlagenforschung neue Ansätze für Prävention, Diagnostik und Therapie zu gewinnen. „Es dauert heute mindestens zehn Jahre, bis wichtige Erkenntnisse aus dem Labor in klinischen Studien geprüft werden. Diesen Prozess möchten wir beschleunigen und effizienter gestalten“, sagt Professor Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des DKFZ und Sprecher des DKTK. So können die beteiligten Forschungseinrichtungen an allen Standorten Patienten für Studien rekrutieren oder von überall auf Technologien zugreifen, die nur an einem Standort vorhanden sind. Signalwege in der Krebsentstehung, Molekulardiagnostik, Tumorstammzellen und Immuntherapien stehen genauso im Fokus der mehr als 160 beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Strahlentherapie und Bildgebung, Behandlungsresistenzen und Prävention. Rund 90 Millionen Euro stellen Bund und Länder bis 2015 für die sieben Forschungsprogramme des Konsortiums zur Verfügung.

Auch die Kinderonkologie soll dabei nicht zu kurz kommen. „In allen Programmen und Plattformen des Konsortiums spielen pädiatrische Tumoren eine wichtige Rolle“, sagt DKTK-Sprecher Prof. Otmar Wiestler. So erhoffen sich die Wissenschaftler beispielsweise Fortschritte in der Strahlentherapie: Bei Schwerionen- und Protonenanlagen ist Deutschland weltweit führend. Weil deren Teilchenbestrahlung nicht radioaktiv ist, verspricht sie schonender zu wirken und deutlich weniger Schäden im kindlichen Gewebe zu hinterlassen – und somit die Spätfolgen einer Krebstherapie im Kindesalter zu verringern.

 

Weitere Informationen dazu im Artikel Neue Wege der Krebsforschung

 

*Erkrankungen des Blutes