Zum Wissenschaftsjahr 2018
Magnetische Messungen auf hoher See

Magnetische Messungen auf hoher See

Direkt von Bord – ein Expeditionsblog des Forschungsschiffs SONNE

Magnetische Messungen auf hoher See

Der zweite Expeditionsblog-Beitrag der SO258

Von Maximilian Haas (Montanuniversität Leoben, Österreich) und Mareen Lösing (Universität Münster)

Am Horizont ist ein leichtes Blitzen zu sehen. Das letzte von insgesamt 30 Ozeanbodenseismometern taucht wohlbehalten auf und schwimmt einsam an der Wasseroberfläche. Mit größter Präzisionsarbeit steuert der nautische Offizier das FS SONNE bis auf wenige Meter an das Gerät heran, um es anschließend mit einem 10-Tonnen-Kran an Deck zu hieven. Nun wird sich herausstellen, ob wir bei der Installation und dem Aufbau alles richtig gemacht und gute Daten erhalten haben. So viel sei an dieser Stelle gleich verraten: die bisherigen Daten sehen sehr vielversprechend aus!

Seit gut drei Wochen sind wir nun in den scheinbar endlosen Weiten des Indischen Ozeans unterwegs und nehmen neben den bereits genannten refraktionsseismischen auch magnetische, gravimetrische und bathymetrische Daten auf. Mittlerweile haben wir schon viermal den Äquator passiert, und man merkt jedes Mal deutlich den Unterschied zwischen den südlichen unruhigen und den nördlichen ruhigeren Gewässern. Bisher musste diesbezüglich aber noch niemand sich über die Reling beugen und die Fische füttern.

Auch die Luftpulser (Geräte, die einen Luftimpuls verursachen und somit als Quelle für seismische Wellen dienen) waren zwischenzeitlich im Einsatz und brachten das Schiff alle 60 Sekunden zum Vibrieren. Nach einer anfänglich etwas unruhigen Nacht haben wir uns alle aber relativ schnell an das zusätzliche Geräusch gewöhnt. Derzeit sind die Pulser allerdings an Bord und die Geräte werden für das kommende Messprofil vorbereitet. Diese Woche wurde auch ein reflexionsseismisches Profil angelegt. Dafür musste ein 3000 Meter langer Streamer (Datenkabel mit 240 darin befestigten Aufzeichnungsgeräten) von einer großen Winde abgerollt und zu Wasser gelassen werden.

Während dieser Vorbereitungen wurden wir von einem heftigen Regenschauer sri–lankischer Art überrascht. Bei 40 Grad Celsius Außentemperatur und 98 Prozent Luftfeuchtigkeit war dieser aber eine sehr willkommene und erfrischende Abwechslung.

Trotz dieser Abkühlung hat sich das soziale Klima kontinuierlich erwärmt, und so haben sich inzwischen alle als Team sehr gut eingespielt. Wir treffen uns abends im Hangar, um zu quatschen, Kicker zu spielen, Geburtstage zu feiern, fachlich zu diskutieren oder die Unterschiede zwischen deutscher und anderer europäischer Fußballclubs bis ins kleinste Detail zu beleuchten.

Wir lernen uns stetig besser kennen, und auch neue Köstlichkeiten bereichern das alltägliche Schiffsleben, wie z.B. eine Essensprobe der etwas schärferen Art von unseren sri-lankischen Kollegen. Chips sind nicht gleich Chips ... da hilft nicht einmal mehr das hochgelobte, neutralisierende Weißbrot danach. Oft finden auch Spieltreffen nach dem Essen statt, bei denen man so manch neues Kartenspiel kennenlernt und ab und zu auch mal gegen die gut eingespielten Sri–Lankesen gewinnt.

Bis auf ein paar Unterbrechungen laufen die magnetischen Messungen weiter und zeigen uns weiterhin vielversprechende Anomalien. Conrad Kopsch, ehemaliger Entwicklungsingenieur für wissenschaftliche Messgeräte am Alfred-Wegener-Institut ist hierbei der Hauptansprechpartner. Er hat uns erklärt, warum es notwendig ist, dass wir eine Acht mit FS SONNE fahren müssen (siehe Infobox). Ein solcher Drehkreis hat dabei einen Durchmesser von einer Seemeile bei fünf Knoten Fahrt. Es muss also niemand fürchten, seekrank zu werden. Der einzige Hinweis auf dieses Manöver ist die ständig wechselnde Position der Sonne, nach der man sich immer wieder neu ausrichten muss, um einen gleichmäßigen Teint zu bekommen oder ein zutraulicher Brydes–Wal, der nun auf Backbordseite anstatt auf Steuerbordseite neben uns schwimmt.

Am vergangenen Samstag fand unser Bergfest statt, eine Schiffstradition, die das „über dem Berg sein“ feiert und die zweite Hälfte der Expedition einläutet. Ausgelassene Stimmung, gute Musik und Pizza haben den Abend zu einem besonderen Erlebnis gemacht. Bei diesem Anlass hatten wir auch Gelegenheit, die Ereignisse der vergangenen Wochen zu reflektieren und Pläne für die restliche Zeit zu schmieden. Natürlich konnten wir auch unsere Tanzfähigkeiten auf einem schaukelnden Schiff austesten. Der Twist–Tanz bekam dadurch eine ganz neue Komponente.

Neben dem bereits in die nächste K.O.–Phase eingetretenen Tischfußballturnier, bei dem die Autoren an dieser Stelle leider zugeben müssen, nicht mehr weitergekommen zu sein, wurde für die restliche Zeit ein Tischtennisturnier aufgesetzt, das seit zwei Tagen Crew und Wissenschaftsbesatzung auf Deck 2 lockt. Mehr zum Turnier sowie zu allen weiteren bis dahin stattfindenden Ereignissen folgt im nächsten und letzten Blog unserer Expedition.


Infobox (Conrad Kopsch, Bad Belzig)

Die Sensoren des Magnetometers erfassen nicht nur das Erdmagnetfeld, sondern auch das Schiffsfeld. Das magnetische Verhalten des Schiffes verändert sich kontinuierlich. Dazu ist es notwendig, vorübergehende Störungen aus der Magnetosphäre und Ionosphäre sowie temporäre, induzierte und remanente (nach Anlegen eines Magnetfeldes vorübergehende, aktuelle und beibehaltene Magnetisierung) Schiffseffekte aus den Messungen weitestgehend zu entfernen und die geomagnetischen Komponenten möglichst fehlerfrei zu bestimmen.

Bereits im 19. Jahrhundert wurden Betrachtungen dieser Art in Folge der Anwendung von Eisen im Schiffbau notwendig, da der Magnetkompass als wichtiges Navigationsmittel diente. Es wurde von Poisson im Jahr 1838 eine Theorie entwickelt, auf der basierend auch heute die Kompensation der störenden Magnetfelder am Kompassort durchgeführt wird. Solche Magnetfeldmessungen auf Schiffen begannen schon 1901 auf dem Schiff „Gauss“ während der ersten deutschen Südpolarexpedition unter Leitung Erich von Drygalskis mit einem speziell entwickelten Doppelkompass von Bidlingmaier.

Diese Theorie stützt sich auf Annahmen, dass sich die Magnetfelder an verschiedenen Quellen am Messpunkt ungestört überlagern sowie dass das Schiff-Magnetfeld in einen induzierten und in einen permanenten Magnetfeldanteil zerlegt werden kann und sich sein magnetisches Verhalten nur langsam ändert. Die Drehkreise haben hierbei die Form einer Acht und werden mit einem Durchmesser von 1 Seemeile bei 5 Knoten gefahren, um möglichst viele Messpunkte zu erhalten. In engen Zeitintervallen werden die Daten der drei Magnetkomponenten erfasst und mit Werten von Kurs, Roll und Pitch kombiniert (also seitliches Schaukeln „stampfen“ des Schiffes). Danach beginnt ein aufwendiger Rechenprozess, der ein Gleichungssystem mit 12 Unbekannten und somit die Schiffskoeffizienten berechnet. Nun können die Magnetwerte bestimmt werden, um Aussagen über geomagnetische Anomalien und in weiterer Folge über die Struktur der Erdkruste zu treffen.